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Benutzt man die Beleidigung Kretin im Deutschen noch? Ist sie ernst zu nehmen?

Auf mich wirkt das Wort so hochgestochen und antiquiert, dass ich es persönlich albern und nicht provokant fände. Ich frage nicht nach der Wortgeschichte, sondern nach der Benutzung von Kretin in der Gegenwartssprache.

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  • In der deutschen Sprache habe ich das Wort bisher noch nie gehört; in Polen benutzt man "kretyn" aber sehr gerne und oft, wenn man jemanden beleidigen möchte. Ob es in der Hinsicht irgendwelche sprachliche Einflüsse gibt?
    – Liglo App
    Feb 18, 2015 at 17:01
  • Das deckt sich mit meinem Eindruck. Sprechen Sie Deutsch als Muttersprache (soll heißen, sind Sie mit Deutsch aufgewachse? Auch wenn sie offenbar eine Zweitsprache haben)?
    – user15009
    Feb 18, 2015 at 17:04
  • 5
    Ich (Berliner) kenn das durchaus, benutze es aber nie, da es sonst keiner zu kennen scheint. Als hochgestochen empfinde ich es aber nicht.
    – Emanuel
    Feb 18, 2015 at 17:38
  • 3
    Also ich habe es schon im (pseudointelektuellen Umfeld, ähem...) gehört. Für mich: Passiver Wortschatz definitiv, im aktiven seeeeehr selten. Vielleicht drei, vier mal in knapp 40 Jahren? Und ja, "hochgestochen" und "möchtegern" sind passende Adjektive.
    – Stephie
    Feb 18, 2015 at 18:46
  • 2
    Ich bin ein 50-jähriger österreichischer Muttersprachler und kenne das Wort sehr wohl. Als hochgestochen (im Sinn von überheblich) empfinde ich es nicht, als veraltet hingegen schon. »Kretin« gehört nicht zu meinem aktiven Wortschatz. Ich vermute, dass die Menschen in meinem persönlichen Umfeld das Wort auch kennen, aber kaum verwenden. Ich glaube mich erinnern zu können, das Wort öfter in Hans-Moser-Filmen und ähnlichen Filmen gehört zu haben, bin mir dessen aber nicht sicher. Feb 18, 2015 at 21:23

5 Answers 5

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In gedruckten Werken findet Google-NGram seit ca. 1940 eine etwa konstante Verwendung des Wortes, 1910, 1850 und um 1800 war das Wort wesentlich stärker verbreitet.

Gegenwartssprache ist auch, das kann man leicht übersehen, was über 80jährige sprechen und was nur in gewissen Milieus gesprochen wird - daher sind eigene Erfahrungen notorisch unzuverlässig.

Wörter, die wie Kretin etwas antiquiert daherkommen aber im passiven Wortschatz weit verbreitet sind können auch durch ein Medienereignis spontane Popularität erreichen, ich erinnere da an Neuland.

Google News zeigt, dass es in jüngster Zeit in der Presse noch geläufig ist.

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  • Der Google-Korpus ist aber doch rein schriftsprachlich und auch noch auf Bücher beschränkt, wenn ich mich nicht täusche. Er ist also gerade für tatsächlich benutzte Beleidigungen nicht besonders aussagekräftig. (PS: Ich kenne das bildungssprachliche Genus von Korpus.)
    – Crissov
    Nov 29, 2015 at 10:39
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Nach Wortschatz Leipzig ist das Wort nur 6 Häufigkeitsklassen unter Idiot, wird also ca. 64 mal seltener verwendet. Der geäußerten These, eine weniger gebräuchliche Beledigung sei weniger ernst zu nehmen, kann ich mich nicht anschließen. Es kann sowohl harmloser sein („versteht das Wort eh nicht, ist also weniger beleidigt“) als auch heftiger („wenn es schon mit Unkenntnis des Wortes anfängt …“).

Und ja, ich verwende das Wort.

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Kretin ist auch heute noch ein durchaus gebräuchlicher Terminus für Idiot, Dummkopf, schwachköpfiger Trottel etc.; entscheidend für die Häufigkeit der Benutzung ist – unabhängig voneinander – sowohl der geographische Standort als auch die soziale Schicht. In gesellschaftlichen Kreisen, die Wert auf Abgrenzung zur sozialen Unterschicht legen, ist der Begriff durchaus geläufig.

Ferner wird er in den westlichen Gebieten des moselfränkischen Dialekts, der mit vielen eingedeutschten französischen Begriffen durchzogen ist, von allen Bevölkerungsschichten benutzt (die Gegend um Trier, Hunsrück und Saargebiet).

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  • Servus und willkommen beim Stackexchange der deutschen Sprache. Du kannst eine tour der Seite nehmen. Näheres darüber, wie sie funktioniert, erfährst du im help center. Und für die Antwort gibts +1 für den Einstieg ;)
    – Jan
    Nov 28, 2015 at 0:01
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Das Wort ist weder hochgestochen noch antiquiert, und die Benutzung des Wortes Kretin ist auch in der Gegenwartssprache noch relevant; natürlich ist es weder denglisch noch neudeutsch. Allerdings ist die Häufigkeit der Verwendung wohl auch regional unterschiedlich. Vielleicht könnte man es für manche mit dem Zusatz "Alter" etwas hipper gestalten. Frage an die Kritiker, die den Ausdruck mit etwas "seltsamen" Adjektiven belegen: nennen Sie doch mal bitte ein absolut adäquates Synonym...

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  • Servus und willkommen auf dem Stackexchange der deutschen Sprache. Du kannst eine tour der Seite nehmen. Beachte, wegen deines letzten Satzes, dass wir kein Forum sind, sondern strikt einem Frage-Antwort-Muster folgen. Näheres, und alles weitere, was die Seite ausmacht, erklärt dir das help center. Ansonsten auf gute Zusammenarbeit.
    – Jan
    Nov 26, 2015 at 17:46
  • 1
    Ok, wir wissen jetzt, dass Du eine Meinung hast. Hast Du auch eine Antwort?
    – Carsten S
    Nov 26, 2015 at 18:26
  • @CarstenS Ich sehe eine in den ersten drei Sätzen …
    – Jan
    Nov 26, 2015 at 19:11
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    @Jan: Ich möchte auf »den ersten beiden Sätzen« verkürzen. Den dritten Satz (»Vielleicht könnte man ...«) zähle ich nicht mehr zu dem Teil, der die Frage beantwortet, sondern zu dem Teil, in dem eine ungefragte Meinung kundgetan wird. (Hinweis an G Nius: Das ist ok. Meinungen darf man äußern, wenn man auch die Frage beantwortet, was du ja getan hast.) Allerdings steht der letzte Satz (»Frage an die Kritiker ...«) tatsächlich den expliziten Regeln dieses Mediums entgegen. Dies ruft aber nicht mehr als erigierte Zeigefinger einiger Kommentatoren hervor, mit denen dann Rügen getippt werden. Nov 26, 2015 at 22:33
  • 2
    Richtig ist, dass Kretin nicht Denglisch ist, sondern aus dem Französischen kommt: crétin. Nov 27, 2015 at 3:35
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In meiner Wahrnehmung (Niedersachsen) gehört Kretin zum Jargon von Kulturschaffenden und -Kritikern, es taucht dementsprechend in den Feuilleton-Teilen der Medien auf. Wird verwendet, ist ernst gemeint.

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