Wichtig ist hierbei, dass "Leichte Sprache" in erster Linie ein Mittel ist, um Menschen mit Lernschwierigkeiten das Verständnis gerade längerer oder komplexer Texte zu erleichtern. Dass hierbei politische Aussagen klarer werden ist eher ein angenehmer Nebeneffekt.
Die Trennung von zusammengesetzten Wörtern ergibt dabei eigentlich nur Sinn, wenn die Bestandteile eine eigenständige Aussage haben. (Studien-Platz = ein Platz zum Studieren. Hoch-Schule = eine hohe Schule?). Nach meiner Auffassung ist die rigorose Trennung aller zusammengesetzten Wörter in dem Beispiel also falsch.
Die Trennung von Sätzen gerade bei "oder" und "und" in eigenständige Sätze scheint hingegen ein probates Mittel zu sein, die Teilsätze besser auffassen zu können, oft werden auch Aufzählungen verwendet.
Weiteres zu leichter Sprache: Mensch zuerst
Edit:
Zur Klärung der hier aufgeworfenen Fragen habe ich Kontakt zum Netzwerk Leichte Sprache aufgenommen und die Erlaubnis erhalten, die Antworten hier zu zitieren.
Dabei handelt es sich um die Meinung einer Mitarbeiterin des Vereins, nicht um abgesprochene offizielle Statements.
(Fragen und Antworten hier aus Fließtexten zusammengeschnitten)
Führt die Bindestrich-Trennung von langen/zusammengesetzten Wörtern zu einem erhöhten Leseverständnis?
Ich würde manche der von Ihnen genannten Wörter nicht trennen. Das hat
sich aber auch im Lauf meiner Arbeit so ergeben:
Hochhaus würde ich nicht trennen, das Wort ist nur 8 Zeichen lang.
Überwachung würde nicht nicht trennen, weil die beiden Wortteile nicht
gleichwertig (Substantive) sind. Früher habe ich so etwas durchaus auch
getrennt.
Soweit ich es erlebe, benutzen die Menschen mit Lernschwierigkeiten die
Trennungen nur, um das Wort richtig zu lesen. Sie kennen das Wort ja
meistens. Überwachung würde ich in einem oder 2 Sätzen erläutern.
Aber sonst habe ich wiederholt erlebt, dass zu lange Wörter falsch
gelesen werden.
Eine Frage dabei ist auch, welche Wörter sind so bekannt, dass eine
Trennung stört. Das erlebe ich durchaus auch.
Ich komme gerade von einer Textprüfung. Ich war mir unsicher gewesen
wegen des Worts Lebensmittel. (mit oder ohne Trennstrich) Meine Prüferin
hat das Wort ohne Trennstrich 2-mal problemlos gelesen. Als es mit
Trennstrich dastand, ist sie beim Lesen gestolpert. Ich gehe davon aus,
dass sehr bekannte Wörter nicht getrennt werden sollten, auch wenn sie
ein bisschen länger sind. Aber das ist meine private Meinung, nicht die
Meinung des Netzwerks.
Ist die Trennung eines Satzes in zwei (grammatikalisch falsche) Sätze erforderlich?
Als Beispiel nannte ich die in den Regeln für Leichte Sprache genannten Satz:
Im Winter fällt Schnee.
Und es ist kalt.
Ich selber würde das Winterbeispiel wahrscheinlich nicht in 2 Sätzen
schreiben. Bei einem längeren Satzzusammenhang mache ich das aber schon.
Bezüglich des "Lernens falscher Grammatik/Schreibweise":
Die Texte, die wir übersetzen oder
schreiben, sind für Erwachsene gedacht. Sie sind meistens für Kinder
recht uninteressant (Politische Texte, Texte zu Gesundheit, Verträge
etc.) Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Texte nur in Ausnahmefällen
von Kindern gelesen werden. Zum Beispiel, wenn es Reiseführer für eine
Stadt sind.
Wie wurden diese Regeln eigentlich entwickelt? Gibts da einen wissenschaftlichen Hintergrund?
Wenn ich sage, darüber sprechen, bedeutet das immer, dass Menschen mit
Lernschwierigkeiten und Übersetzer gemeinsam darüber sprechen. Nur die
Prüfer können uns sagen, wie es am besten ist.
Und die Leichte Sprache ist in der Praxis entwickelt worden. Menschen
mit Lernschwierigkeiten und Unterstützer haben in einem langen Prozess
überlegt und besprochen, wie Sprache sein sollte, damit sie gut
verständlich ist.
Im Augenblick erforschen aber verschiedene Unis die Leichte Sprache. Es
darf nur nicht dazu führen, dass die Fachleute den Menschen mit
Lernschwierigkeiten vorschreiben, wie sie etwas verstehen müssen.
Das Netzwerk hat das Feedback aber dankend aufgenommen:
Wir haben beschlossen, dass diese Fragen so wichtig sind, dass wir sie
auf unserer Netzwerkversammlung besprechen möchten.
Ich habe Ihre 1. E-Mail an ein anderes Vorstandsmitglied weitergeleitet.
Wir sind uns einig, dass wir im Netzwerk eine Diskussion über die von
Ihnen und von anderen Menschen aufgeworfenen Fragen führen werden. Mal
sehen, zu welchem Ergebnis wir kommen.
("Prüfer" sind Menschen mit Lernschwierigkeiten, die Texte lesen und nach Verständnis bewerten)