Ich stimme dem zu, was schon in der Frage vorweggenommen ist: Beide Interpretationen, und damit beide Schreibweisen, wären denkbar. Der einzige Weg, es wirklich sicher herauszufinden: Zeitmaschine nehmen, Luther persönlich fragen. :-) Aber vielleicht gibt es noch einen anderen Weg, es zumindest einzugrenzen.
Die Deutsche Bibelgesellschaft hat den Text von verschiedenen Bibelausgaben ins Netz gestellt. Dem kann man entnehmen, daß die moderne Lutherbibel (Fassung von 1984) daß/dass benutzt, und zwar sowohl in Tobit 4,16 (andere Bibelausgaben zählen es als Vers 15) als auch an der davon abgeleiteten, positiv formulierten Stelle Matthäus 7,12:
Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.
Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!
Diese Konstruktion ist eine Spezialität der Lutherbibel. Andere Bibelübersetzungen formulieren die Tobit-Stelle ganz anders:
Was du selbst nicht erleiden möchtest, das füge auch keinem anderen zu! (Gute-Nachricht-Bibel)
Tue niemandem, was dir selbst widerwärtig ist. (Menge-Bibel)
Was dir selbst verhaßt ist, das mute auch einem anderen nicht zu! (Einheitsübersetzung)
(Alle Zitate nach den oben verlinkten „Online-Bibeln“, ausgenommen das aus der Einheitsübersetzung – dieses nach einer mir vorliegenden Papierausgabe.)
Das läßt schon vermuten, daß Luther eher frei übersetzt und die Konstruktion nicht aus dem Originaltext nachgebaut hat. Und in der Tat, die AT-Stelle lautet in der Septuaginta einfach:
καὶ ὃ μισεῖς, μηδενὶ ποιήσῃς.
Und (das), das du haßt, sollst du niemandem tun.
(Meine möglichst wörtliche Übersetzung.)
Die letzte Chance also: das Matthäus-Evangelium. Hier ist es etwas umständlicher formuliert:
Πάντα οὖν ὅσα ἐὰν θέλητε ἵνα ποιῶσιν ὑμῖν οἱ ἄνθρωποι, οὕτως καὶ ὑμεῖς ποιεῖτε αὐτοῖς.
Alles also, von dem ihr womöglich wollt, daß die Menschen (es) euch tun: so tuet auch ihr ihnen.
Aha. Das sieht dem Luthertext doch viel ähnlicher; und hier ist es eindeutig die Wiedergabe einer griechischen Konjunktion (ἵνα).
Nun hatte Takkat in seiner/ihrer Antwort den ursprünglichen Text Luthers von 1545 für Tobit 4,16 wiedergegeben:
Was du wilt das man dir thue / das thu einem andern auch.
Wie man sieht, ist es positiv formuliert wie im Matthäus-Evangelium, nicht negativ wie an der Stelle, die er angeblich übersetzt (und wie in den modernen Bibelausgaben). Deshalb halte ich es für plausibel, daß Luther sich hier von Matthäus 7,12 hat beeinflussen lassen. Dann dürfte das „das(s)“, das hier in Rede steht, die Entsprechung zur griechischen Konjunktion ἵνα und damit wohl ebenfalls als Konjunktion gemeint sein.
Die moderne Lutherbibel hat somit recht, was die Orthographie angeht. Sehr nah am griechischen Originaltext des Buchs Tobit ist sie aber nicht gerade.
...da kommt ''das'' dass mit ...
- soviel Zeit muss sein!Oft hilft es, die "Masse zu fragen"
- ist wohl nicht richtig. Da, wo die Masse richtig liegt, liegt man selbst auch eher richtig, und wenn die Masse irrt, dann hilft es einem also nicht. Qualität != Quantität.Was Du nicht willst, das man Dir tu, das willst Du doch, was willst denn Du?
(Otto Walkes, 70er Jahre)