Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man dem Alltag entlocken kann.
Ist in diesem Satz das Wort »entlocken« richtig? Und welches Wort passt da besser?
Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man dem Alltag entlocken kann.
Ist in diesem Satz das Wort »entlocken« richtig? Und welches Wort passt da besser?
Beispielsweise so:
Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man im Alltag in Erfahrung bringen kann.
Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man im Alltag herausfinden kann.
Das ist aber schlechter Stil, denn Erkenntnisse werden, wenn man Wert auf guten Stil legt, nicht herausgefunden, sondern gewonnen (»gewinnen« nicht als Erfolg eines Glücksspiels, sondern so wie man Rohstoffe gewinnt wenn man Bergbau betreibt.)
Eine bessere Formulierung ist daher:
Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man im Alltag gewinnen kann.
Diese Formulierung ist stilistisch gleich gut wie die ursprüngliche, an der, wie schon erwähnt, nichts auszusetzen ist:
Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man dem Alltag entlocken kann.
Zur Frage in der Überschrift (die leider von der Frage im Korpus abweicht):
Kann »entlocken« im Sinne von »jm. etwas wegnehmen« gebraucht werden?
Ja, aber so wird das Wort selten benutzt:
Der Gauner hat mir meinen Ausweis entlockt.
Das bedeutet: Der Gauner hat mich durch irgendwelche Tricks dazu gebracht, ihm meinen Ausweis zu zeigen. Er ihn sich dann geschnappt und ist damit abgehaut.
Aber diese Verwendung ist selten, und aus meinem Beispielsatz geht nicht einmal eindeutig hervor, dass mir der Gauner den Ausweis tatsächlich weggenommen hat. Eigentlich sagt der Satz nur, dass mich der Gauner dazu gebracht hat, ihm meinen Ausweis auszuhändigen. Dass er ihn nicht mehr zurückgegeben hat, ist eine mögliche Schlussfolgerung, aber keine zwingende.
Beispiele für aus dem Alltag gezogene Erkenntnisse:
Was dich nicht umbringt, macht dich härter.
Verlass dich auf andere, und du bist verlassen.
»Entlocken« impliziert Widerstand, man muss arbeiten, um etwas zu bekommen. Der vom Alltag geleistete Widerstand beim Herausgeben von Erkenntnissen besteht in der mehr oder weniger starken Kopfarbeit, die nötig ist, um eine Erkenntnis zu erlangen, man kriegt das ja nicht schriftlich. Die Verwendung von »entlocken« passt daher.
Ein besseres Wort als »entlocken« habe ich nicht, ist eine Erkenntnis allerdings so offensichtlich, dass sie so gut wie keine Kopfarbeit erfordert, lässt sich auch »entnehmen« verwenden.
Ich finde das Verb entlocken an dieser Stelle nicht optimal, weil
Daher finde ich besser:
Es ist immer wieder verblüffend, welch tiefsinnige Erkenntnisse man (selbst) im Alltag gewinnen kann.