Der Eindruck täuscht nicht – diese „afinite Konstruktion“ findet man nur noch sehr selten. Nach Sekundärliteratur konnte ich bisher nur oberflächlich suchen. Google Books liefert zu afiniter Konstruktion
schon mal ein paar Treffer. Admoni geht in „Die Entwicklung des Satzbaus in der deutschen Literatursprache des 19. und 20. Jahrhunderts“, Berlin 1987, ab S. 114 ausführlicher auf diese syntaktische Form ein, von ihm habe ich die meisten folgenden Details. Von Google Books abgesehen, dürften Online-Quellen zu diesem speziellen Thema eher rar sein.
Was ich gefunden habe, ist in etwa Folgendes: Vermutlich stammt diese grammatikalische Praxis aus der Kanzlei-, also der Juristensprache (16. Jh.?) und wurde später in andere Literaturgattungen und den breiteren Schriftgebrauch übernommen. Während juristische Texte im 19. Jahrhundert eine höhere sprachliche Genauigkeit anstrebten und dabei auch auf grammatikalische „Vollständigkeit“ achteten, hat sich die afinite Konstruktion in der Prosa länger halten können. Das Schnitzler-Zitat (von 1891?) ist ein wunderbares Beispiel dafür, finde ich.
Warum diese besondere Syntaxvariante so selten geworden ist, kann man nur vermuten. Ich nehme an, dass dieses Phänomen grundsätzlich als Ausnahme von der Regel der vollständigen Ausformulierung empfunden wurde, also als – „rechtfertigungsbedürftige“ – Abweichung, nicht als Normalfall. Gerade der gezielte Einsatz in der Prosa, etwa um den Nebensatz noch stärker zurücktreten zu lassen, impliziert ja einen bewussten Einsatz dieses Stilmittels. Zudem nehme ich an, dass die afinite Konstruktion schon zu Schnitzlers Zeiten nicht mehr „modern“ klang, noch weniger im 20. Jahrhundert. Aus juristischen und diplomatischen Texten war sie da wohl schon verschwunden, Naturwissenschaftler hatten keinen Grund, sie im technischen Bereich einzuführen; und in der Prosa klang sie wahrscheinlich nach 18. und 19. Jahrhundert, also antiquiert. Man würde heute einen anderen Effekt erzielen als jenen, der vielleicht im 18. und 19. Jahrhundert verfolgt worden war.