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Woher kommt der umgangssprachliche Ausdruck „Boah ey“? Für mich sieht er sehr seltsam aus.

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Im Wikipedia-Artikel über den Ausruf "Ey!" steht, der Ausdruck sei als Teil der sogenannten Jugendsprache, restringierter Soziolekte/Ethnolekte aufgekommen und hätte als anerkennende Form weite Verbreitung im Rahmen der in den späten 1980er Jahren beliebten Mantawitze gefunden.

Auch im Diagramm von Googles Ngram Viewer wird der Trend seit den achtziger Jahren angezeigt:

Boah ey! Ngram

Es könnte sein, dass sich der Ausruf aus dem Begriff "Bohei" entwickelt hat. Er bedeutet "Aufheben" im Sinne von Aufstand und Spektakel und hat sich vielleicht aus dem Westmitteldeutschen und Rheinischen aus den Ausrufen bu(h) und hei gebildet oder aus dem Niederländischen (älter niederländisch boeha [heute: poeha] = Lärm, Tumult; Aufheben) gebildet.

Es gibt einige interessante Artikel und Diskussionen, die sich um den Ausruf Bohei drehen:

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Laut Duden hat boah eine lautmalende Herkunft und ey kommt aus dem Englischen (ich vermute von hey).

Spaßeshalber habe ich mal das Google Groups Archiv durchkämmt, dort kommt der Begriff das erste Mal im Jahr 1990 in einer Liste von Mantawitzen vor.

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Der Ausruf

Boah ey!

hat seine Quelle in der Zoologie. Dem Vernehmen nach stammt der Spruch aus Frankfurt. Der Frankfurter Zoo hatte einst in seinem Bestand eine phänomenal große Boa Constrictor. Zoobesucher vor dem Schlangengehege wurden regelmäßig dabei beobachtet, wie sie mit offenem Mund die Riesenschlange anstarrten und verblüfft ihren Namen riefen ("Boa!"). Von dort nahm die Tradition bei Zoomitarbeitern ihren Ausgang, angesichts großer, erstaunlicher oder überraschender Dinge scherzhaft "Boa ey" zu sagen. Das angehängte h verdeutlicht nur die Länge des Vokals.

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  • Ich hab mal eben auf den Kalender geguckt - aber heute ist doch gar nicht der 32. März??? Dec 14, 2018 at 12:08
  • Also wenn schon, dann Seeschlange statt Boa. Sonst passt's nicht zu Manta.
    – tofro
    Dec 14, 2018 at 12:51
  • +1 für diesen Beitrag. In satira veritas!
    – Paul Frost
    Dec 15, 2018 at 0:13
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Bereits althochdeutsch bor, por "Höhe, Spitze" wird adverbial wie "sehr" gebraucht[*] und lebt bspw. in empor ragen weiter. Die Interjektion Boah! ist zwar kein Adverb im eigentlichen Sinn kann aber typischer Weise satzadverbial gebraucht werden. Übrigens ist "boah ey" erst für die Achtziger Jahre online nachweisbar, doch sicherlich älter.

*) bora- verstärkende Partikel, nur in Zusammensetzungen. S.d. z.B. bora-reht, borreht "vollauf berechtigt, hinlänglich" (Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen)


  1. Bor

Lautlich ist boah in Gebieten mit Tiefschwa'igem -r kaum von bor zu unterscheiden. Tatsächlich wird der Ausruf häufig genauso buchstabiert, ist ohne den Zusatz "ey" aber nicht so leicht aufzuspüren (ich meine das auf r/de gesehen zu haben).

Demgegenüber sind auch guterale wie frikative Anklänge zu vernehmen, etwa /bɔχ/, oft wie och /ɔχ/, engl. oh man ("och menno"). "Das angehängte h verdeutlicht nur die Länge des Vokals", wie @ChristianGeiselman (oben) schon sagt. Eine genauere phonologische Untersuchung ist mir nicht gegeben.

Pfeifer erklärt empor so:

"althochdeutsch in bor(e) ‘in die Höhe’"

"bor(e), Akkusativ bzw. Dativ von ahd. bor ‘Höhe, Spitze’" (DWDS: empor)

Das -e genügt zwar nicht, um direkten Anschluss an ey herzustellen (sowieso bleibt hypothetisch unbegründet, ob ey ein altes Pronomen fortsetzt, s. urindoeuropäisch *ey ~ *ís, *yós-)

Während Bichlmeyer et al. von *bher- "tragen" im Anlaut ausgehen*, wäre besser ein Präfix anzunehmen, was mit empor vergleichbar sein sollte, falls Assimilation und Apocope in bor wahrscheinlich ist. Dann könnte -b- reine Epenthese (etwa Empfang), Prothese (etwa bwahaha) oder Kasusendung sein (bspw lat. ubi ubi "überall"). Vgl. dementsprechend mehr, immer, sowie älter michel "groß". Ist der Ablaut etwa keltisch oder slavisch (s. urie. *mogh-)?

Dafür sollte man am besten weiter auf urindogermanisch **HreG- gehen, vgl. ferner reich, recht, magnus rex, rulez0r usw., jedoch unsicher laut Pfeifer regen, empor ragen mit altenglisch oferhrǣgan "sich emportürmen"—ich bin empört und erregt zugleich. Ohrfeigen mit Haplologie. Damit wird der Ausruf boah ey um einiges schwieriger zu ergründen. Die altenglische Form sieht allerdings wie Reduplikation aus, nur ist fortis g in der Regel unerwarten

In Sätzen sieht das Mittelhochdeutsch bei Bennecke (BMZ) z.B. so aus:

α. in bejahenden sätzen. ir sît einander enbor holt seid sehr gute freunde Reinh. f. 1654.

er fröwete sich enbore vil daʒ er ein schâf vunden hete Leyser pred. 63,30.

dô si stuont enbor lange (borlange?) mit sorgen bevangen, zuo disem sêre wart ir nôt mêre Tundal. 54,80.

Vergleich demgegenüber moderne Wendungen, i. Ihr seid mir vielleicht ein paar, ein paar tolle Freunde (vgl. ein paar Mal) ii. er freut sich en Kullerkeks, iii. sie war empört (auch disem sêre, vgl. unversehrt, heute aber diese Misere). Von Originaltreue kann nicht die Rede sein.

Beispiele mit negation sind schon früh undurchsichtig, "in verneinenden sätzen. daʒ mir êr bore unchunt ne was nicht gänzlich unbekannt N. Boeth. 183."

Nur in den Beispielen, in denen es alleine steht, tritt eine Bedeutung von Höhe noch hervor. Ob das überhaupt die selben Worte sind, ist nicht offensichtlich.


  1. Bohei

Wegen Lautmalerei dürfte das ganzer Zufall sein. Siehe so zufällig engl. emperor, ambassador, tschech. boh "Gott", griech. basileus "Herschet", amphora (phero "bringen" tatsäcich verwandt). An Ausrufen s. a. engl. aye (aus Nordisch, wohl verwandt mit intensiven je- bzw. regional ie-, e-, s. oberfränkisch etzala "jetzt", englisch for ever "für immer", e'ry day "alltäglich"), ohne Kommentar: wow, woah, oi oi oi wie heu heu heu.

Allerdings hat der Ausruf oft negativen Charakter, boah (ne) ey (ebenso BMZ, bor: "enbor chunt ne was").

Siehe dafür engl. boring (was wie ich annehme mit bor verwandt), bah, humbug, ita. basta? Das ist ja wohl der Gipfel (der Frechheit), ebenso ~ die Höhe, die Spitze, der Hammer ... Kein Bock, ey ... Ein gut widersinniges Paar wie awesome / awful scheint möglich.

Der angeführte Vergleich mit "Bohei" (s. o. @splattne) ist bemerkenswert. Doch sicherlich führt bua + hei (?) vorerst genauso auf lautmalerei, was hier ungefähr bedeuten kann, dass der Ausruf zur Zeit der niederschrift kaum noch verständlich war, falls das überhaupt belegbar ist. S. auch hoch, engl. high. Die üblichen Quellen führen für Buhei, Bohei keine Etymologie (Kluge, DWDS; Duden ist unbeachtlich). Siehe dafür niederländisch poeha (etymologiebank.nl; Übersetzung und Hervorhebung von mir):

"[...] with numerous by-forms such as boeha {1578} bohaai, behaai [...], probably formed from boo! + ha!" (PAF van Veen and N. van der Sijs (1997))

Natürlich, Wald und Wiesen Onotomatopoeia gehen immer. Andererseits ist eine Quellenangabe für so eine sinnige Hypothese mangels Schöpfungshöhe offensichtlich unnötig gewesen. Phillipa et al. behandeln das Wort gleich gar nicht. Aber warte mal:

"[...] also boeha , poohaai , cf. in [Plantijn] bohay; written with p since the 18th century. The word is very reminiscent of fra. brouhaha, which is not a pure sound word but since the 17th century the name for the shouting of the devil-dressed clergy in mystery plays, to be derived from hebr. bārūkh hab-ba [...]. It would not be impossible that the nnl. word originated from medieval drama." (J. de Vries (1971))

Der Vergleich ist begründet, brouhaha ist aber nicht offensichtlich Hebräisch. Siehe etwa die zahlreichen varianten unter fr. brag- "schreien", vgl. englisch brag, ferner deutsch brüllen, plärren, allesamt unsicher (etymonline, DWDS), außerdem bellen (das seinerseits auch nicht vom Belzebub stammt).

TLFi stützt die Aussage mit weiteren Verweisen:

[1. 1548] Le curé, habillé en dyable : Brou, brou, brou, ha, ha, Brou, ha, ha.

[2. 1552] subst. (Ch. ESTIENNE, Dictionarium latinogallicum, s.v. tragoedias agere : faire d'ung neant une grande chose, faire ung grand brouhaha pour un rien)

D.h. ein großes Buhei um nichts machen, bzw. auch Aufheben(s) in demselben Sinne, so embor "heben" (BMZ).

Orig. discutée. L'hyp. la plus probable semble être celle d'une altération onomatopéique de l'hébr.

ces paroles, fréquemment empl. dans les prières juives, auraient été déformées par ceux qui ignorent l'hébreu.

Demnach ist hebr. barukh habba [beshem adonai] Psalm 118:26 (bei Luther: "Gelobt sei, der da kommt [im Namen des HERRN!]") in Passionsspielen üblich gewesen und von unwissenden korrumpiert worden bis hin zu « Hho, hho, hho, hho, brrrourrrourrrs, rrrourrrs, rrrourrrs. Hou, hou, hou. Hho, hho, hho. Frere Estienne, faisons nous pas bien les Diables? » (cf. TLFi), was im Spiel durchaus erschreckend komisch sein dürfte.

Tatsächlich soll selbst die Bibelstelle den Gesang einer Prozession wiedergeben (Kommentare)

"These words of welcome are probably spoken by the Levite in charge, to the procession approaching the gates. According to Rabbinical writings, pilgrim caravans were thus welcomed on their arrival at Jerusalem." (Ellicott)

Jamiet-Focet Brown (ebenda) weiß darüber: "typically it belongs to Him of whom the phrase became an epithet (Mal 3:1; Mt 21:9).", womit wohl der Judenkönig im christlichen Kontext gemeint sein dürfte (ebenda, Cambridge Bible for Schools and Colleges): "With these words and with the Hosanna[77] (‘save now’) of the preceding verse, the multitudes greeted Jesus as He rode into Jerusalem (Matthew 21:9). The Psalm may already have received a Messianic interpretation."

Dass daraus Bohei und ebenfalls boah ey hervorgehen würde ist nunmehr reine Spekulation. Die Wortgruppe ist längst nicht nur West-Rheinisch doch früher nicht belegt. Van Veen und van der Sijs, denen de Vries wohl bekannt sein dürfte, nehmen die Hypothese nicht an, eröffnen aber auch keinen stichhaltigen Gegenbeweis.

Bor, por ist zumindest dialektal und auch schon Mittelhochdeutsch belegt, und zwar reichlich (cf. Woerterbuchnetz), so z.B. schweizer deutsch Krǖzbār "Prozession mit Kreuzen", Gebarr "Lärm" (Idiotikon), ebenso mittelhochdeutsch bôr "trotz, empörung" (BMZ). Außerdem sagen manche heutzutage ahnbar (Money Boy, passim; welcher auch mit althochdeutschem Einschlag vongsprachlich i bims zu vertreten hat). Siehe übrigens neuerdings auch jugendsprachlich porno, das ist so porno.

Genauso könnte man berüchtigt dahinstellen, "das auf mnd. berüchtigen ‘Geschrei erheben, in guten oder schlechten Ruf bringen’ (vgl. auch gleichbed. mnd. berüchten) beruht" und sofern mit "Ruf" verwand doch einer indogermanischen Etymologie entbehrt (DWDS).

Siehe auch Hossa "Interjektion", ohne Kommentar, Hussa" Ruf zum Antreiben, Hetzen, besonders bei der Jagd" (DWDS), ebenso italienisch br "Schallwort für das Aufjagen des Wildes" (REW # 1250) und ähnliches mehr, etwa spanisch arriba, arribar, doch andererseits Husar "light-cavalry", "freebooter", kursar "pirate" zu lat. currere "to run", (etymonline: hussar), ebenso Barbar.

Die Semitische Etymologie, das Wort G-ttes, bleibt unterdessen wegen außen vor wegen assymetrischer Quellenlage. Siehe nur piru "Elefant", al fil "Elefant, (Schach) Läufer", Behemot (בְּהֵמָה‎ bəhēmā 'beast, cattle'—specifically, a plural of excellence senus latu), alle ungeklärte Metaphern.


  1. Für kindliches Gebaren, Mantafahrer-Witze und sonstige Sondersprachen ist das althergebrachte Schriftum—inter barbarum blabla silent legis—regelmäßig nicht belastbar und von daher mit keinen Beweis argumentum ab silencio zu rechnen. Zumindest ist eine Hebräische Ableitung im 15 Jh. zu spät und müsste weitaus früher eingesetzt haben. Boah ey sowie bor, por könnten dafür nützliche Indizien sein.

@ChristianGeiselmann seine Boa, Mit lat. boa, einem Wort unbekannter Herkunft (wahrscheinlich Lehnwort) bei Pliny (DWDS/Pfeifer) ist als Riesenschlange gar ein sinnvoller Vergleich in den bereits angesprochenen Bedeutungen, angenommen die Semantik "hoch" lebte in Frankfurt fort, ferner im Sinne von Größe überhaupt, ohne dass die Worte ursächlich verwandt sein müssten.

Lautmalerisch außerdem puh, pusten wie lateinisch spiro usw.

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