Das bereits erwähnte "Hochachtungsvoll" ist - auch das kam schon in anderen Antworten zur Sprache - durchaus formell und nichts, woraus man einen Strick drehen könnte. In der Kunst der subtilen Beleidigung geht es unter anderem ja auch darum, dafür zu sorgen, daß sich die Beleidigung nicht auf dem Papier sondern in den Gedanken des Lesenden abspielt: jeder kann sich denken, was gemeint ist, aber dastehen tut's nicht!
Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, daß formelhafte Wendungen sowieso nicht wirklich als ernstgemeint aufgefaßt werden: wenn man in der Anrede als "Sehr geehrte(r)" angesprochen wird, dann geht man auch nicht automatisch davon aus, der Schreiber glaube, man sei mit Ehrungen überhäuft. Auch sagt man "Guten Tag" selbst zu Leuten, denen man nichts weniger als einen guten Tag wünscht.
Insofern ist es meiner unmaßgeblichen Meinung nach ziemlich unerheblich, welche Grußformel man verwendet. "Hochachtungsvoll" oder "mit vorzüglicher Hochachtung" kann mindestens durch die offensichtlich übertriebene Förmlichkeit und Höflichkeit für den Transport der intendierten Bedeutung sorgen.
Noch ein Gesichtspunkt: abhängig davon, wen man anschreibt, kann es sinnvoll sein, auf - auch subtile - Beleidigungen zu verzichten. Falls einem der Angeschriebene persönlich bekannt ist, kann die Beleidigung ihren Zweck haben (und erreichen), falls der Adressat die Schadensregulierungsstelle einer Versicherung oder der Kundendienst eines Großunternehmens ist, kann sich jeder selbst die Frage stellen, ob er einen ahnungslosen Sachbearbeiter, der zufällig den zehnten Brief in einer leidigen Angelegenheit vom Ticketsystem zugeteilt bekommt, wirklich beleidigen möchte. Vermutlich kennt der Beleidigte weder die Vorgeschichte, noch war er an ihr beteiligt.