"Finaler (= einen Zweck bezeichnender) Infinitiv":
Ich gehe weg, um einzukaufen.
"Freier finaler Infinitiv":
Ich gehe einkaufen bzw. ich bin einkaufen
Die Aussage, dass ich weggehen muss, um einzukaufen, wird als bekannt vorausgesetzt. Somit steht der finale Infinitiv für zwei semantische Kategorien: Es wird sowohl die Ortsveränderung (Wo bist du? bzw. Wo gehst du hin?) als auch die beabsichtigte Tätigkeit (Was hast du vor?) damit angezeigt. Diese Kategorien sind komplementär. Wie viel Information damit tatsächlich transportiert wird, hängt vom gemeinsamen Vorwissen von Sender und Empfänger der Mitteilung ab:
"Ich bin einkaufen" kann bedeuten:
Ich kaufe gerade in dem Laden ein, in dem ich immer einkaufe.
oder z. B.:
Ich bin nicht im Haus, sondern kaufe gerade irgendwo ein.
Die Wahl des Verbs kann, entsprechendes Vorwissen vorausgesetzt, unterschiedliche Orte bezeichnen:
Ich bin einkaufen (am gewohnten Ort) / Ich bin shoppen (irgendwo in
der Stadt)
Oft hängt es vom Sprecher ab, wie viel örtliche Information enthalten ist:
Ich bin laufen
Veronika läuft immer den Fluss entlang, also ist sie dort irgendwo unterwegs.
Markus liebt das Laufband im Fitnesscenter, also ist er dort.
Christine entscheidet sich immer spontan, also weiß man nicht, wo sie läuft.
Das Beispiel "Ich sitze … Teenager beobachten" ist in dieser Form natürlich falsch. "Sitzen" und "beobachten" sind so nicht kombinierbar. Es muss entweder heißen "Ich bin Teenager beobachten" oder "Ich sitze im Café, Teenager beobachten".
@ Veredomon*)
Ickler resümiert in seinem Beitrag: Die Bedeutungskomponente der „Abwesenheit“ ist ein vorhersagbarer Nebeneffekt des finalen Infinitivs in einigen seiner Verwendungen. Die Kategorie eines "Absentivs" sei daher überflüssig. Das untermauert er nicht gerade mit überzeugenden Beispielen. Dass Ganz Breslau scheint hier einkaufen zu sein, anscheinend sein Kronzeugen-Beispiel, keine Abwesenheitsdeutung erlaubt, liegt daran, dass es schlechtes Deutsch ist und "zu sein" einfach weggelassen werden kann (… scheint hier einzukaufen). Die Behauptung, die Antwort auf die Frage Wo ist er/sie? könne nicht implizit die Abwesenheit ausdrücken, denn diese sei ja die Voraussetzung für die Frage, finde ich merkwürdig. Der Fragende findet die fragliche Person zwar im Augenblick nicht vor, kann aber die Antwort nicht vorhersehen, die lauten könnte: Er war nur auf dem WC oder auf dem Balkon, sie ist oben, er repariert gerade sein Motorrad, er will niemanden sehen, sie ist im Haus nebenan. "Sie ist shoppen" ist hier m. E. eine andere Aussagekategorie, die substanziell mehr Information enthält, wenn das entsprechende Vorwissen vorhanden ist. Ob man dies am Kriterium der Abwesenheit festmachen will und es "Absentiv" nennt oder nicht, ist eine Frage des Standpunkts. Es ist ja auch nicht gesagt, dass die Abwesenheit der Hauptinformationsinhalt eines "Absentivs" sein muss, sie kann ja genauso gut das auslösende Motiv für die Aussage sein — was normalerweise in Form einer Frage der Fall ist, weil selten jemand beim Einkaufen "ich bin einkaufen, ich bin einkaufen" vor sich hinmurmelt. Gerade Icklers Beispiel "Ich war schon lange nicht mehr Klavierspielen" ist verräterisch, weil es implizit aussagt, dass das Klavierspielen woanders stattfindet: Ansonsten würde man sagen "Ich habe schon lange nicht mehr Klavier gespielt". Die erweiterten Beispiele von König, die Ickler zitiert, zeigen ebenfalls diese charakteristische Einheit von Ort- und Tätigkeitsangabe.
Die Frage bezog sich letztlich auf die Unterschiede zwischen finalem und freiem finalem Infinitiv. Ersterer funktioniert in Form von Tätigkeit + "um zu" + Absicht, letzterer lässt "um zu" weg. Ickler zitiert dafür nur das eher schiefe Café-Beispiel, Beispiele mit "machen" und "lassen" diskutiert er nicht (Ich mache sie lachen, Ich lasse ihn suchen), die zugegeben problematisch sind, weil sie sich nur mühsam oder gar nicht in eine "um zu"-Konstruktion auflösen lassen. Alles andere sind für ihn reine Infinitive nach Verben der Fortbewegung bzw. dem Weglassen solcher Verben bzw. ihrem Ersatz durch "wollen", "sein", "müssen" etc. Warum Ickler diesen Unterschied überhaupt macht und die von ihrer Aussagefunktion her, siehe oben, sehr spezifischen Konstruktionen mit "sein" + Tätigkeit nicht als freie finale Infinitive anerkennt, bleibt für mich nach wie vor offen — vielleicht habe ich es auch nicht richtig verstanden.
*) war eigentlich als Antwort auf Veredomons Kommentar gedacht, leider zu lang für die Kommentarfunktion