Der deutsche Satz, der semantisch und grammatisch dem englischen Satz
It is observed that the pH value increases.
am nächsten kommt, ist
Es wird beobachtet, dass der pH-Wert steigt.
Der Satz bringt zum Ausdruck, dass tatsächlich eine Beobachtung stattfindet. Es gibt also ganz sicher jemanden, der den ph-Wert über eine gewisse Zeit hinweg beobachtet und dabei eine Veränderung nach oben feststellt. Hier liegt weder eine Möglichkeit noch ein Angebot vor.
In dem Satz
Man kann beobachten, dass der pH-Wert steigt.
wird zwar ebenfalls ausgedrückt, dass der pH-Wert steigt, aber die Beobachtung wird nur als Möglichkeit geschildert: Falls es einen Beobachter gibt, wird dieser den Anstieg bemerken. Aber es ist keineswegs gewiss, dass dieser Beobachter existiert. Der pH-Wert könnte auch völlig unbeobachtet ansteigen.
Dieser Satz stellt ein Angebot an den dar, der den Satz liest oder hört: Dem Empfänger der Botschaft wird angeboten, das Steigen des pH-Wertes zu beobachten.
Kommen wir nun zu dem Satz, um den es in der Frage geht:
Es ist zu beobachten, dass der pH-Wert steigt.
Hierbei handelt es sich um eine Passivumschreibung mit einer Form von »sein« (»ist«) und einem Infinitiv (»beobachten«) mit »zu«. Diese Konstruktion ersetzt einen Passivsatz mit den Modalfaktoren »müssen«, »sollen« oder »können«.
Passivsatz:
Das Auto muss gewaschen werden.
Passivumschreibung:
Das Auto ist zu waschen.
Passivsatz:
Der Zaun soll gestrichen werden.
Passivumschreibung:
Der Zaun ist zu streichen.
Passivsatz:
Der Schmutzfleck kann gesehen werden.
Passivumschreibung:
Der Schmutzfleck ist zu sehen.
Es handelt sich also um eine Aufforderung (muss, soll) oder um das Anbieten einer Möglichkeit (kann), wobei Letzteres auch als das simple Vorliegen einer Möglichkeit interpretiert werden kann. Jedoch hat die Passivumschreibung den Nachteil, dass man ihr nicht mehr ansieht, ob sie als »muss«, »soll« oder »kann« zu interpretieren ist.
Die Verben der Wahrnehmung und die Verben, die eine Erwartung ausdrücken (»annehmen«, »erwarten«, »hoffen«, »befürchten« usw.), haben gemeinsam, dass sie an ein Ereignis geknüpft werden können, das beobachtet oder erwartet wird, und dieses Ereignis findet dann häufig in einem Relativsatz platz, der mit »dass« eingeleitet wird:
Es ist zu hoffen, dass die Vorräte ausreichen.
Man kann (nur) hoffen, dass die Vorräte ausreichen.
Es ist zu befürchten, dass unser Kunde nicht zahlen kann.
Man muss befürchten, dass unser Kunde nicht zahlen kann.
Es ist zu hören, dass hier ein Kind spricht.
Man kann hören, dass hier ein Kind spricht.
Es ist zu beobachten, dass der pH-Wert steigt.
Man kann beobachten, dass der pH-Wert steigt.
Im ursprünglichen Sinn handelt es sich bei dieser Formulierung also um eine Aufforderung oder um ein Angebot. Dem Empfänger der Botschaft wird angeboten, das Ereignis zu beobachten. Jedoch wird das Angebot (also die »kann«-Variante) gerade im Fall der Wahrnehmung-Verben meist als das Vorliegen einer Möglichkeit (ohne Aufforderungs-Charakter) interpretiert.