Die Rechtschreibregeln sind hier scheinbar eindeutig:
§ 68: Nach freistehenden Zeilen setzt man keinen Punkt.
Allerdings werden nur die folgenden Beispiele genannt:
- Überschriften und Werktitel
- Titel von Gesetzen, Verträgen, Deklarationen und dergleichen sowie Bezeichnungen für Veranstaltungen
- Anschriften und Datumszeilen sowie Grußformeln und Unterschriften etwa in Briefen
Nichts davon trifft auf deinen Fall direkt zu. Deswegen weitersuchen. Für die relevanteste Fundstelle halte ich § 71 E2:
E2: Das Komma (und gegebenenfalls der Schlusspunkt) kann in kolumnenartigen Aufzählungen fehlen, zum Beispiel:
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(Hervorhebung von mir)
Da stehen wir nun, wir armen Tore, und sind so klug, als wie zuvor. Da ich die Juristerei leider nicht studiert habe (und schon gar nicht mit heißem Bemühen), muss ich hoffen, dass meine folgende Argumentation stichhaltig ist.
§ 68 trifft meines Erachtens auf den Sachverhalt nicht zu. Es handelt sich nicht um freistehende Zeilen, sondern aufeinanderfolgende Sätze im Sinne einer Aufzählung, die man auch als Fließtext formulieren können hätte – ganz anders als eine typische Überschrift.
§ 71 (2) fordert ein Komma im Falle von Aufzählungen gleichrangiger Wörter und Wortgruppen. § 71 E2 erlaubt das Weglassen eines solchen Kommas im Falle von »kolumnenartigen Aufzählungen«, vulgo Spiegelstrichen.
§ 67 fordert den Punkt am Schluss von Ganzsätzen; § 71 E2 erlaubt das Weglassen des Schlusspunkts am Ende von durch Kommas trennbaren Spiegelstrichen, wenn dabei gleichzeitig der Satz zu Ende ist.
Nirgends sonst wird eine Sonderregel für Spiegelstrichaufzählungen gegeben.
Daraus schließe ich folgendes:
- Wenn es sich um ganze Sätze handelt, darf und soll man sie mit einem Schlusspunkt abschließen.
- In Spiegelstrichlisten darf der Schlusspunkt nicht entfallen, wenn die Liste nicht durch Kommas getrennt ist.
- Nur dadurch, dass ein Satz hinter einem Spiegelstrich steht, macht ihn das nicht zum Stichpunkt – deswegen habe ich den Begriff »Stichpunktliste« oder vergleichbare vermieden.
Folglich halte ich die Meinung der Kollegin nicht für durch die Regeln gedeckt und plädiere für das Setzen von Schlusspunkten an den Satzenden.
Eine andere mögliche Argumentation, im Lichte meiner obigen Ausführungen wäre folgende: De facto sind deine »Spiegelstriche« nichts anderes als Ein-Satz-Absätze, die noch einmal zusätzlich hervorgehoben werden. Sätze, die Bestandteil von Fließtexten sind, werden auch dann mit einem Punkt abgeschlossen, wenn sie keinen seitenbreitenbedingten Zeilenumbruch enthalten, und alleine einen Absatz füllen. Diese Sorte Satz fällt nicht unter die Gültigkeit des § 68, der für freistehende Zeilen die Abwesenheit von Schlusspunkten verlangt.
Nebenbei erwähnt: Aus § 71 E2 ergibt sich, dass eine Aufzählung auch folgendermaßen aussehen kann:
- der erste Punkt,
- der zweite Punkt, und
- der letzte Punkt.