Hans Adler hat in seiner Antwort bereits ausführlich beschrieben, welche Versuche es in dieser Richtung in der Vergangenheit gab. Ich möchte hier nur ergänzen, dass sich keiner dieser Versuche in der Praxis durchsetzen konnte, und dass dieses Schicksal unausweichlich auch allen zukünftigen derartigen Reformversuchen blühen wird.
Deutsch wird von knapp 100 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen. Jeder Versuch, per Reform etwas am Genus-System der deutschen Sprache zu ändern würde bedeuten, dass 100 Millionen Menschen ihre eigene Muttersprache neu lernen müssten. Versuche, »das Weib« und »das Mädchen« durch »die Weib« und »die Mädchen« zu ersetzen, sind zum Scheitern verdammt solange Kinder ihre Muttersprache von Eltern, Großeltern, Freunden usw. lernen, die selbst ihre Sprache von deren Vorfahren, Nachbarn, Freunden und Arbeitskollegen gelernt haben.
Kein Mensch lernt seine Muttersprache in einer Schule oder von einer anderen Institution, die vorgeben könnte, welche Substantive welches Geschlecht zu haben haben. In der Schule lernt man »nur« einen theoretischen Unterbau (die Regeln der Grammatik), der zur tatsächlichen Benutzung der gesprochenen Sprache im Alltag nicht notwendig ist. Die eigene Muttersprache sprechen kann jeder Mensch schon vor seinem ersten Schultag, also bevor man auch nur den geringsten Kontakt mit Grammatik-Regeln hatte. (Die wenigen Menschen, die aufgrund einer Erkrankung nicht dazu in der Lage sind, im Kindesalter eine Sprache zu erlernen, sollen hier nicht das Thema sein.)
Man lernt in der Schule auch, die gesprochene Sprache in Form von Schrift festzuhalten, wozu Regeln gelernt werden müssen, die eine genormte Abbildung von Sprache zu Schrift ermöglichen, um später wieder auf eine möglichst genormte Weise aus der Schrift das gesprochene Wort rekonstruieren zu können.
Aber diese Verschriftlichung ist der ursprünglichen Funktion der Sprache untergeordnet. Daher ist es relativ einfach, per Reform diese Rechtschreibregeln zu vereinheitlichen (1876) oder zu verändern (1901, 1996), wobei auch jede dieser drei Reformen bekanntermaßen großen Widerstand in der Bevölkerung hervorgerufen hat.
Eine Reform am eigentlichen Kern der Sprache, also nicht an den Regeln zur Verschriftlichung, sondern an jenem Teil der Sprache, der sich im gesprochenen Wort widerspiegelt, ist unmöglich per Erlass oder sonstige Einflussnahme eines Gremiums durchführbar. Und das schon gar nicht bei einem Bestandteil der Sprache, der eine grundlegende Eigenschaft einer der wichtigsten Wortarten betrifft.
Fazit:
Probiert wird es hie und da, aber diese Versuche finden im Elfenbeinturm, fern von jeder Realität, statt und werden von der breiten Bevölkerung völlig ignoriert. Und jede Behörde oder Institution, die theoretisch in der Lage wäre, solche Reformvorschläge zu verbreiten, wird sich tunlichst hüten, das zu tun, weil sie sich damit sofort und unweigerlich den Zorn der Bevölkerung ob der als unbotmäßig empfundenen Bevormundung zuziehen würde.