Ich studiere in dem Chor, in dem ich singe, gerade die Matthäuspassion von J.S.Bach ein. Die Nummer 65 dieses dreieinhalbstündigen Monsterwerks ist eine Arie, die von einem Bass-Solisten gesungen wird. In der ersten Hälfte dieser Arie wird der folgende Satz mehrmals wiederholt:
Mache dich, mein Herze, rein, ich will Jesum selbst begraben.
»Jesum« ist vermutlich ein aus dem lateinischen entlehnter Akkusativ von »Jesus«, aber darum geht es mir nicht.
Es geht um den fett hervorgehobenen Satz. Den Inhalt verstehe ich, aber die Grammatik widersetzt sich meiner Analyse. Kann jemand diesen Satz für mich analysieren?
Das Musikstück wurde 1727 uraufgeführt. Der Text ist also rund 300 Jahre alt, vermutlich sogar um einiges älter.
Edit (Antwort auf Kommentare):
Es macht für mich keinen Sinn, mein Herz aufzufordern, sich selbst zu reinigen. Das würde heißen, dass ich ihm einen Befehl bzw. eine Anweisung gebe, und ich mich selbst anschließend auf die faule Haut legen und warten kann, bis das Herz mit der Putzaktion fertig ist. Falls dann das Herz die Reinigung nicht oder nur unvollständig durchführt, ist das nicht meine Schuld, sondern die des Herzens.
Sinnvoller wäre es doch zu sagen, dass ich selbst mein Herz reinigen muss/soll. Denn dabei wäre ich als Akteur direkt in die Reinigung involviert, und ich wäre auch selbst für den Erfolg der Aktion verantwortlich.
Das was mich an der vorgeschlagenen Interpretation des Satzes nach moderner Grammatik verwirrt, ist die sich daraus ergebende Loslösung des Herzens von mir selbst und die daraus notgedrungen resultierende Deutung des Herzens als ein Ding, das von mir Befehle annehmen, und dann, ohne mein weiteres Zutun, auch selbsttätig ausführen kann.
Daher glaube ich nicht, das das so gemeint ist. Ich glaube nicht, dass es ein Imperativ mit direkter Anrede an mein Herz ist. Ich glaube, dass der Ich-Erzähler damit ausdrücken will, dass er selbst sein Herz reinigen möchte. Wenn das aber tatsächlich so gemeint ist, dann muss die Satzanalyse, die auf moderner Grammatik basiert, falsch sein. Dem Satz muss also ein heute nicht mehr üblicher grammatischer Bauplan zugrunde liegen. Meine Frage zielt auf diesen Bauplan ab, der vor 300 (oder mehr) Jahren zur Bildung dieses Satzes verwendet wurde.