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Paper abortion‘, auf dänisch ‚juridisk abort‘, ist eine stark umstrittene Thematik. Es gibt zwar einen englischen und einen dänischen Wikipediaartikel zum Thema, jedoch keinen deutschen Beitrag.

Ich würde vielleicht gerne etwas darüber schreiben, weil ich ein paar Abhandlungen zu dieser Thematik gelesen habe. Jedoch kenne ich kein deutsches Wort für paper abortion.

Es geht dabei nicht um einen tatsächlichen Schwangerschaftsabbruch, bei dem das ungeborene Kind stirbt, sondern um eine Forderung aus der Männer(rechts)bewegung, dem werdenden biologischen Vater das zeitlich beschränkte, unwiderrufliche Recht einzuräumen jeglichen Rechten und Pflichten zu entsagen, die sich normalerweise aus einer (auch nicht formell anerkannten) Vaterschaft ergeben; dazu kann auch gehören, dem Kind das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung väterlicherseits zu entziehen.

Könnt ihr mir vielleicht helfen ein deutsches Wort zu finden oder gar zu erstellen? Am liebsten mehrere Wörter, wenn möglich.

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  • 3
    Ich schätze dafür muss erst ein Wort erfunden werden. Wie wäre es mit Vaterschaftsablehnung?
    – knut
    Mar 19, 2016 at 22:31
  • 4
    Auf Wikipedia gelten Wortschöpfungen als Theoriefindung (original research) und werden nicht gerne gesehen. Sollte sich in der deutschen Öffentlichkeit noch keine Bezeichnung etabliert haben, etwa weil der Diskurs gar nicht stattfindet, gäbe es wahrscheinlich auch keinen Grund für einen Artikel, außer wenn sich dieser auf die Diskussion in anderen Ländern bezieht – dann könnte der lokale Begriff verwendet werden, sofern es einen neutralen gibt.
    – Crissov
    Mar 20, 2016 at 15:17
  • 1
    Ich vermute jemand hat sich von dieser Diskussion inspirieren lassen. Jetzt gibt es einen deutschen Artikel (auch wenn seine Löschung vorgeschlagen wurde): de.wikipedia.org/wiki/…
    – Iris
    Mar 20, 2016 at 15:42
  • 2
    Ich nehme an, dass die anwesenden Akademiker auch schon Paper Abortions vorgenommen haben.
    – Carsten S
    Apr 22, 2016 at 8:39

6 Answers 6

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Im deutschsprachigen Internet wird das Konzept offenbar unter dem Begriff "juristische Abtreibung", vereinzelt auch "formale Abtreibung", diskutiert.

Das scheint mir eine durchaus passende Übersetzung zu sein, denn auch die genannten englischen und dänischen Begriffe versuchen offenbar, eine Analogie zur Abtreibung herzustellen. Dabei wird jedoch auf die rechtlichen Implikationen der Vaterschaft fokussiert. Ob es eine gute Idee ist, beides in einem Begriff zusammenzubringen, ist eine andere Frage, die den Schöpfern der dänischen bzw. englischen Versionen gestellt werden muss. Eine Frau kann nicht nur "juristisch" bzw. "on paper" abtreiben.

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  • Persönliche Anmerkung: die "Contra"-Argumente in dem englischen WP-Artikel erscheinen mir arg kurz geraten.
    – Matthias
    Mar 20, 2016 at 0:00
  • 7
    "in einer Weise zu beenden, wie es ansonsten durch eine Abtreibung geschehen würde" - also so, dass das Kind nachher nicht existiert? Ich halte den Begriff für vollkommen unpassend weil irreführend. Intuitiv würde ich eine "juristische Abtreibung" als mit juristischen Mitteln erzwungene Abtreibung bei der werdenden Mutter verstehen, aber vielleicht ist das auch nur mein persönlicher Eindruck. Mar 20, 2016 at 15:29
  • 1
    @O.R.Mapper Ich denke, dass der Begriff unpassend erscheint, weil die Idee, die er ausdrücken soll, zweifelhafte Analogien zieht. Jemand, der von der Idee noch nie gehört hat, wird sie sich aus dem Begriff nicht herleiten können - aber das gilt mMn genauso für paper abortion und vermutlich (ich kann kein Dänisch, aber auch da scheint Abtreibung das Hauptwort zu sein) für juridisk abort. Da nach einer Übersetzung gefragt war, war es nicht mein Ziel, die inhärenten Schwächen des Originalbegriffs zu kaschieren oder auszumerzen.
    – Matthias
    Mar 20, 2016 at 21:52
  • Entsprechende Stichwörter aus der Politolinguistik sind u.a. Begriffe prägen, Fahnenwort, Kampfbegriff und natürlich Euphemismus, siehe auch Neusprech.
    – Crissov
    Mar 21, 2016 at 9:47
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Unabhängig vom verwendeten Attribut ist Abtreibung (aber auch abort[ion]) ein unpassender Ausdruck für das Konzept, den lediglich verwenden kann, wer zwecks Legitimierung eine Analogie zur feministisch geprägten Abtreibungsrechtsdebatte herstellen möchte. Das gleiche gilt für Schwangerschaftsabbruch, aus dem man Vaterschaftsabbruch herleiten könnte, oder das euphemistische Schwangerschaftsunterbrechung.

Natürlich geht mit einer Abtreibung auch die Mutterschaft (sowie Vaterschaft) zuende bevor sie richtig begonnen hat, aber stets auf Kosten des Lebens des ungeborenen Kindes. Letzteres ist bei der Ablehnung der Vaterschaft nicht der Fall. Rechtlich gäbe es noch ein paar andere einschlägige Begriffe, die evtl. verwendet werden könnten, bspw. Niederlegung (auch nach Geburt) oder Abtretung (impliziert einen Empfänger). Sie alle setzen eine Anerkennung oder zumindest ein prinzipielles Eingeständnis der biologischen Vaterschaft voraus, also sind Abstreitung oder Anfechtung keine passenden Begriffe. Verzicht und Auschluss der Vaterschaftsanerkennung wie von @Awita vorgeschlagen könnten hingegen funktionieren, wobei ersteres klingt, als sei es gerichtlich überstimmbar.

Das passendere Analogon wäre übrigens die anonyme Geburt (u.a. „Babyklappe“) bzw. anonyme Samenspende, also anonyme Vaterschaft (bzw. Elternschaft). Ein annäherndes Antonym wäre die Adoption, wo i.d.R. ein nicht leibliches Kind freiwillig (optio) als rechtlich gleichgestelltes eigenes Kind angenommen (ad) wird, denn beim diskutierten Konzept wird jede rechtliche Verbindung zum leiblichen Kind gekappt, daher vielleicht *Desoption, *Aboption, *Exoption o.ä.

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  • 1
    Wenn man wirklich die offenbar beabsichtigte Parallele zum Begriff in der Frauenrechtsbewegung nachvollziehen will, dann ist "Vaterschaftsabbruch" eindeutig die beste Lösung. Mar 21, 2016 at 7:37
  • @KilianFoth Ja, wenn. Das Wort ist mir erst nachträglich eingefallen und hat bisher 0 Googletreffer. Mutterschaftsabbruch wäre dann entweder ein anderes Wort für anonyme Geburt oder ein Euphemismus für Schwangerschaftsabbruch; analog Elternschaftsabbruch.
    – Crissov
    Mar 21, 2016 at 8:46
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Ich glaube nicht, dass es dafür einen deutschen Begriff gibt. Man müsste es wohl mit "Verzicht auf Anerkennung der Vaterschaft", "Ausschluss der Vaterschaftsanerkennung" oder "formale Gleichstellung zu einer Abtreibung" umschreiben.

Wenn es nicht ganz genau sein muss, aber etwas griffiger sein soll, könnte man vielleicht auch "formale Abtreibung" benutzen.

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Vaterschaftsabtretung

Vaterschaftsanfechtung

Abtretungserklärung

These are all the possible words I can think of.

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  • "Abtretung" ist in diesem Kontext ein Euphemismus.
    – Paul Frost
    Oct 24, 2020 at 0:05
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Für mich klingt der beschriebene Prozess nach "ich will plötzlich (de jure) nur ein Samenspender und (de jure) kein Vater sein".

In Deutschland gilt seit 2018 (di-netz.de) das Samenspende-Register-Gesetz, womit eine Auskunft zum Samenspender möglich ist, ohne dass dabei Unterhaltsansprüche etc. entstehen. Siehe § 4 Nr. 6 SaRegG in Verbindung mit § 1600d Satz 4 BGB. Eintrag zur künstlichen Befruchtung im Wiki mit Verweis auf diese Quellen.

Es müsste für das gesuchte Pendant de jure möglich sein, den "One-Night-Stand" als die Prozedur in einer Samenspende-Klinik zu definieren und das dem Sex vorausgehende Einverständis in die dort nötige klinische Aufklärung umzuwandeln.

Die Mutter wird im Zweifel nach § 1600d S. 1 BGB im Falle eines solchen "ich will nicht" die Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen (müssen). Daher gehe ich davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber auch sonst alle Wege ausschöpft, um einen Vater zu bestimmen. Denn § 6 Satz 2 GG sagt ganz klar, dass Pflege und Erziehung zuallererst Sache der Eltern ist - wozu Eltern ermittelt werden müssen. (Die ersten 20 § im GG sind nur sehr schwer zu ändern!)

Mangels rechtlicher Möglichkeiten gehe ich daher davon aus, dass es diesen Begriff de jure nicht geben kann.

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Es handelt sich hier um die Forderung, einen juristischen Akt zu ermöglichen, mit dem der biologische Vater auf alle Rechte verzichtet und alle Pflichten verweigert.

Wie wäre es mit "Vaterschaftsablehnung" oder "Vaterschaftsverweigerung"? Das trifft zugegebenermaßen nicht den Verzichtsaspekt. Alternative: "Vaterschaftsannulierung".

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