In älteren Texten (zumindest in wissenschaftlichen) kam es vor, dass lateinische Wörter in deutschen Texten lateinisch dekliniert wurden, und zwar nicht nur gemäß Numerus (z. B. Indizes als Plural von Index), sondern auch gemäß Kasus. Ein Beispiel finde ich in Kants Kritik der Reinen Vernunft, Fußnote 7:
[...] [M]an darf nur die verschiedenen Sätze, die im Anfange der eigentlichen (empirischen) Physik vorkommen, nachsehen [...], so wird man bald überzeugt werden, daß sie eine physicam puram oder rationalem ausmachen[...].
Heutzutage würde man (wenn man schon einen lateinischen Ausdruck verwendet) "eine physica pura ausmachen" schreiben, und nicht den lateinischen Ausdruck nach Fall deklinieren. (physicam puram ist der Akkusativ von physica pura.)
Weiß jemand in welchem Zeitraum das üblich war, ob man das allgemein gemacht hat oder das nur die Marotte einzelner Autoren war, und seit wann man damit aufgehört hat? (Ebenso interessant ist, unter welchen Umständen das passiert. In dem Kantzitat wird ja einmal "Physik" verwendet und einmal "physicam".)
Dieses Phänomen war jedenfalls nicht auf das Deutsche beschränkt. In Árni Magnússons isländischen Prolegomena zur Sturlu saga, die wohl im frühen 18. Jahrhundert erschienen sein müssen, findet sich folgender Absatz:
Grettis saga gengur nær fabulæ en historiæ; er full með fabulas, parachronismos; er interpoleruð úr einhverju opere Sturlu, og hans ætla eg vísurnar sé. […] Interpolatur mun hafa sett fabulas þar inn. […] Annars er eigi óvíst, að Grettis saga Sturlu hafi og fabulosa verið, og líkara þykir mér, að Sturla hafi komið við vísurnar […] Þessi saga er fabulis plena.
Hier werden lateinische Ausdrücke ziemlich schonungslos so behandelt, als ob sie isländische wären: Der Fall wird jedes mal richtig angepasst. (Besonders schön úr [...] opere, wo der Fall des lateinischen Wortes (Ablativ) gar nicht von der isländischen Präposition úr ("aus") verlangt wird (den gibt es auf Isländisch nämlich nicht), aber der ist, den die lateinische Übersetzung ex verlangen würde.) Das scheint mir insofern relevant, als die ganze skandinavische Gelehrtensprache stark von der deutschen beeinflusst ist.