Die Verben
- sein
- werden
- heißen
- bleiben
- gelten als
- sich fühlen als
und einige andere können als Ergänzung eine Nominalphrase haben, die im Nominativ steht. Statt »Nominativobjekt« ist aber der Begriff »Gleichsetzungsnominativ« geläufiger.
Nun hat Deutsch die ganz allgemeine Eigenschaft, dass Subjekt und Objekte relativ folgenlos den Platz tauschen können:
Ich liebe dich. Dich liebe ich.
Ich gehöre dir. Dir gehöre ich.
Das ist auch im Fall des Gleichsetzungsnominativ möglich:
- Ich bin Rechtshänder.
- Rechtshänder bin ich.
In dem obigen Rechtshänder -Beispiel kann man leicht argumentieren, dass »ich« in beiden Versionen das Subjekt und »Rechtshänder« das Objekt im Nominativ ist, weil »Rechtshänder« unbestimmt ist (würde man einen Artikel davor setzen, müsste das ein unbestimmter Artikel sein), während mit »ich« eine ganz konkrete Person gemeint ist (nämlich der Sprecher oder Autor).
Aber:
- Der Mann mit dem roten Schal ist der Mörder.
- Der Mörder ist der Mann mit dem roten Schal.
Hier sind beide Ergänzungen des Verbs bestimmt, und haben daher gleichermaßen den Anspruch, als Subjekt angesehen zu werden. Und tatsächlich ist in diesem Beispiel sowohl in (1) als auch in (2) unklar, ob »der Mann mit dem roten Schal« oder »der Mörder« das Subjekt oder das Objekt ist.
Da die übliche Satzstellung jene ist, in der das Subjekt am Beginn des Satzes steht, wird man daher in (1) eher »der Mann mit dem roten Schal« mit dem Subjekt identifizieren, in (2) hingegen erscheint eher »der Mörder« als das Subjekt. Und das führt dazu, dass (1) und (2) unterschiedlich interpretiert werden:
- Wir betrachten einen Mann der einen roten Schal trägt, und halten ihn anfangs vielleicht sogar für sympathisch. Durch diesen Satz erfahren wir aber etwas über den Schalträger, nämlich dass er der Mörder ist.
- Wir untersuchen einen Mordfall und wissen, dass es einen Mörder geben muss. Wir wissen anfangs aber nicht, wer der Mörder ist. Durch diesen Satz erfahren wir aber, wer der Mörder ist: Es ist der Mann mit dem roten Schal.
Selbstverständlich ist bei entsprechendem Kontext auch die umgekehrte Interpretation möglich, der hier geschilderte Fall ist aber der naheliegendere.
Kommen wir zu deinen Beispielen.
Hunde und Wölfe
In deinen Beispielen sind jeweils beide Ergänzungen unbestimmt. Im ersten Beispiel sind nicht ganz bestimmte Hunde gemeint, sondern alle. Und es zwar nur einige Wölfe gemeint (nämlich jene, die zivilisiert sind), von diesen aber auch alle. Links und rechts liegt das gleiche Ausmaß an Bestimmtheit vor (nämlich: unbestimmt). Bei der Suche nach dem Subjekt können wir uns also nur an der Reihenfolge im Satz orientieren, und genau das führt, wie oben im Fall des Mörders gezeigt, dazu, dass die beiden Sätze unterschiedlich interpretiert werden können:
- Wir untersuchen Hunde, und versuchen etwas über Hunde herauszufinden. Durch den Satz »Hunde sind zivilisierte Wölfe« erfahren wir, dass alle Hunde Wölfe mit einer bestimmten Eigenschaft sind.
- Wir sind an Wölfen interessiert, aber nicht an allen, sondern nur an zivilisierten. Wir wollen etwas über alle zivilisierte Wölfe herausfinden, und erfahren durch den Satz »Zivilisierte Wölfe sind Hunde«, dass die Tiere, für die wir uns interessieren, Hunde sind.
Erdbeerkuchen
Hier gilt im Prinzip auch alles gleich wie bei den Hunden und Wölfen, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Wir vergleichen jetzt nicht mehr verschiedene Dinge (Mann mit Schal - Mörder, Hunde - Wölfe), sondern wir vergleichen jetzt gleiche Dinge, nämlich Kuchen mit Kuchen. Das ist bereits so nahe an der vollkommenen Identität wie man sie in
Ein Stuhl ist ein Stuhl.
findet, dass die Argumentation, die noch bei Mann mit Schal - Mörder und bei Hunde - Wölfe gegriffen hat, hier weitgehend ins Leere geht.
Daher würde ich im Kuchen-Beispiel sagen, dass beide Versionen genau gleich zu interpretieren sind.