Zur zweiten Frage: "zu + Infinitiv + sein"
Es gibt keine einheitliche Antwort auf die Frage, was das Passiv gegenüber dem Aktiv ist. Eine wesentliche Leistung von Passiv-Konstruktionen ist es, dass ein Agens, dass im Aktivsatz obligatorisch ist und dort als Subjekt auftritt, im Passivsatz fehlen kann:
'Man' hat das Haus abgerissen > Das Haus wurde abgerissen.
Von wem, ist im Passivsatz unerheblich.
Man spricht üblicherweise bei einer "werden + Partizip II"-Konstruktion dann von einem Passiv, wenn ein komplementärer Aktivsatz gebildet werden kann, bei dem das Subjekt des Passivsatzes zum Akkusativobjekt (oder beim bekommen-Passiv zum Dativobjekt) des korrespondierenden Aktivsatzes wird.
das Buch wurde 2011 herausgebracht = der Verlag brachte das Buch 2011
heraus
sie bekam Blumen geschenkt = jemand schenkte ihr Blumen
Ein werden-Passivsatz kann in einen resultativen sein-Passivsatz überführt werden:
Das Haus ist (jetzt) abgerissen.
Sowohl werden- als auch sein-Passiv werden mit dem Partizip Perfekt konstruiert.
Die Struktur "zu + Infinitiv + sein" hat zusätzlich zum 'passivischen' einen modalen Bedeutungsanteil, der aber nicht auf 'müssen/sollen' (negativ: nicht müssen/sollen/brauchen) oder auf '(nicht) können/dürfen' festgelegt werden kann, sondern je nach Zusammenhang variabel zu verstehen ist:
die Fenster sind zu schließen > müssen/sollen geschlossen werden
die Aufgabe ist leicht zu lösen > kann leicht gelöst werden
Der Satz
später sollte dieser Satz auf den Plakaten der Nationalsozialisten gelesen werden
hätte die Bedeutung: Er wurde tatsächlich gelesen. Hingegen hat der Satz
später sollte dieser Satz auf den Plakaten der Nationalsozialisten zu lesen sein
die Bedeutung: der Satz konnte (später so) gelesen werden (bzw.: er war dort wiederzufinden). Ob er tatsächlich gelesen wurde, wird nicht ausgesagt.
Man kann die Verbverbindung 'irgendwo zu lesen sein' als lexikalische Einheit mit der Bedeutung 'irgendwo geschrieben stehen' auffassen; sie ähnelt der Kombination 'irgendwo zu finden sein'. Ähnliche Verbindungen sind:
das ist nicht zu schaffen > das kann (in dieser Zeit) nicht geschafft werden
das ist nicht zu akzeptieren > das kann nicht akzeptiert werden
Manchmal passt aus semantischen und/oder stilistischen Gründen eher ein 'man'-Satz:
das ist nicht zu glauben > das kann man nicht / kann kein Mensch glauben
das ist nicht zu verstehen > das kann man nicht verstehen
da ist nichts zu sehen > da kann man nichts sehen
Die Duden-Grammatik von 2006 ordnet auf S. 568 Rz 827 diesen Gebrauch des Verbs sein den Modalitätsverben zu und bezieht dort auch die 'haben + zu + Infinitiv'-Konstruktion mit dem Modalitätsverb 'haben' ein:
du hast das nicht zu kritisieren > das darf (von dir) nicht kritisiert werden.
Mit 'sein' (und 'stehen', 'bleiben' ...) gibt es weitere derartige lexikalisierte Verbindungen (zu befürchten sein/stehen, zu erwarten sein/stehen, zu hoffen sein/bleiben ...).
Fazit
Der Satz ist nach allem, was gesagt wurde, zu verstehen als:
Jahre später / In einer späteren Zeit würde man diesen Satz wieder auf Plakaten der Nationalsozialisten lesen können.
Gut möglich, dass der Autor hier einen geistigen Vorläufer des Nationalsozialismus brandmarken will. Dieses Argumentationsschema ist nicht nur in Deutschland gleichzusetzen mit einer ultimativen (kaum noch steigerbaren) Kritik.