Der Begriff "Hospitalisieren" meint, so wie ich es verstehe, einen – kritisch gesehenen – Vorgang, bei dem eine als krank definierte Person in eine Klinik eingewiesen wird. (Manchmal wird auch die Passivform verwendet, wenn man ausdrücken möchte, dass jemand in einer Klinik krankenhausspezifische Symptome entwickelt hat.)
In Gesprächen über einen alten, dement werdenden Menschen hatte ich das Gefühl, dass einige Gesprächsteilnehmer dazu neigten, Prozessen, die ich für "nicht-krank", sondern für altersbedingte und natürliche Verfallserscheinungen halte, eine Charakterisierung zu geben, die zum Gebiet der manifesten Krankheiten gehören (Das bedeutet, sie denken/argumentieren in der Kategorie "Diagnose", z. B. mit den Begrifflichkeiten des ICD).
In den Gesprächen bewertete ich diese Denkrichtung, ähnlich wie bei dem Begriff "Hospitalisieren", gefühlsmäßig mit einer negativen Färbung. (Eine ähnliche Ebene der Kritik an einem Denken/Handeln, wie "Hospitalisieren", wäre vielleicht auch der Begriff "Kriminalisierung": Dieser Begriff wurde meines Wissens eingeführt, um auszudrücken, dass ein eigentlich im Rahmen des Alltags liegendes Handeln unangemessenerweise auf die Ebene eines strafbewehrten, offiziösen Deliktes gehoben wird.) Als Bezeichnung für dieses Denken in Diagnosen und im Zuschreiben von Krankheitskategorien schlug jemand "stigmatisieren" vor. Das legt den Fokus aber auf einen anderen Aspekt.
Ein naiver Vorschlag, der aber von der Wortkonstruktion am ehesten zuträfe, wäre sowas wie "Krankifizieren" – aber ich denke, es gibt sicherlich ein geeignetes Wort.
[update] Fast meine ich, "pathologisieren" wäre geeignet, aber das ist es wohl auch nicht. Die Endung "…fizieren" scheint mir hingegen in die richtige Richtung zu gehen, sie lässt eine Künstlichkeit bei den gemachten Zuschreibung anklingen. Womöglich suche ich also ein Wort, das solch eine Endung hat.
[update 2]: im Nachklang an Em1' "Schubladendenken", das ein wenig mehr die grundsätzliche Richtung meines Kritikpunktes angibt. Diesen Aspekt beibehalten und dann sowas wie "Iatroisieren" oder wie in einem Tipp in einem anderen Posting "Medikalisieren" (dort als soziologischer Fachbegriff beigebracht) hinzufügen – das kommt der Sache schon näher, aber verringert wieder den Aspekt der Allgemeinheit in Em1' Vorschlag. "Morbifizieren" hätte noch den künstlichen, aktiven, gestalterischen Aspekt (den solches Denken, das daraus entstehende Interagieren mit dem alten Menschen und schließlich das sich daraus ableitende Handeln haben mag) durch diese Wort-Endung "…fizieren".
Mal sehen, ob noch eine überzeugendere Lösung kommt. Vielleicht sollte man sogar nach den Latinismen und Graecismen zurückkommen zur eigenen Sprache: jemanden "krank reden" – wenn man das im konkreten Gespräch ganz genau ausdrücken und 'rüberbringen könnte im Sinne von Kritik an einer effektiven – wenn auch vielleicht ungewollten – Zuschreibung; jemanden "krank schreiben" … na ja, das hätte dann bereits eine ulkige Doppelbedeutung, die dann irreführend würde.