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Wie ist im deutschen Sprachraum die Verteilung des Gebrauchs der Wörter Knabe, Junge, Bube in Schrift- und Umgangssprache? Ein paar Dinge weiß ich bereits, aber einiges ist mir noch unklar.

Aus der deutschen Schriftsprache ist der Knabe in den letzten fünfzig Jahren fast verschwunden. Nördlich eines Gebiets, das noch Mainz und Würzburg enthält, dominiert der Junge auch die Umgangssprache, während fast überall sonst der Bube vorherrscht. Wie aber sieht es in Süddeutschland in der Schriftsprache aus? Gibt es in den Lokalteilen der SZ Buben? Wie ist es in Österreich? In der NZZ habe ich Buben, aber hauptsächlich Knaben gefunden. Ist Knabe in der Schweizer Schriftsprache der bevorzugte Begriff? Hat sich der Knabe irgendwo in der Umgangssprache gehalten?

Und wie sah es vor Hundert Jahren in der Schrift- und in der Umgangssprache aus?

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  • Ich bin mir nicht sicher, ob das Tag etymology korrekt ist, mich interessiert nicht die Herkunft, sondern nur die jüngere Geschichte der Wörter.
    – Carsten S
    Jul 18, 2018 at 12:13
  • 1
    Nur eine Kleinigkeit, aber eventuell kannst Du noch ergänzen In Nord- und Mitteldeutschland dominiert der Junge
    – Arsak
    Jul 18, 2018 at 12:51
  • 1
    @Marzipanherz, Danke, ich gebe zu, dass weder Dresden noch Köln in Norddeutschland liegen. Andererseits weiß wohl keiner so recht, was Mitteldeutschland ist. Ich hoffe, es ist jetzt besser. Orte weiter westlich und östlich zur Abgrenzung zu benutzen, wäre besser gewesen, aber ich bin geographisch schwach und habe mich auf das beschränkt, was auf der Karte eingezeichnet war.
    – Carsten S
    Jul 18, 2018 at 13:13
  • Die de.wikipedia.org/wiki/Mainlinie_(Politik) scheint ganz ähnlich zu verlaufen, und linguistisch gesehen gibt es in der Gegend auch die de.wikipedia.org/wiki/Speyerer_Linie_(Isoglosse) - aber die ist wohl noch weniger geläufig :)
    – Arsak
    Jul 18, 2018 at 13:23
  • @Marzipanherz Die Speyerer-Linie hatte ich mir angeschaut, aber sie passte nicht ganz, und ich wollte auch nicht den Anschein erwecken, dass das die gleiche Sprachgrenze ist.
    – Carsten S
    Jul 18, 2018 at 13:51

1 Answer 1

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Aus Österreich kann ich berichten, dass während der aktuellen Berichterstattung um die 12 Buben, die samt ihrem Trainer in einer Höhle in Thailand eingeschlossen waren, in allen Medien die ich wahrgenommen habe, ausschließlich von Buben die Rede war:

Das entspricht auch dem tatsächlichen Sprachgebrauch in Österreich. Der Begriff »Jungen« wird in Österreich mehrheitlich als deutsch wahrgenommen. (»Deutsch« im Sinn von: zu Deutschland gehörend.)

Nachdem Medien aus Deutschland in Österreich stark verbreitet sind (Kabelfernsehen, Zeitschriften), ist aber bereits seit längerem zu beobachten, dass der aus Deutschland importierte Junge bereits beginnt, den heimischen Buben zu verdrängen. Vor allem bei jungen Sprechern ist der Junge schon recht gängig, er kann sich aber derzeit noch nicht wirklich gegen den Buben durchsetzen, weil »der Junge« in Österreich noch immer hauptsächlich als das Gegenteil von »der Alte« verstanden wird, und nicht als das Gegenteil von »das Mädchen«.

Die Knaben findet man in Österreich nur noch an den Fassaden von Schulen. Auf so gut wie allen Volksschulen, die vor den 1970er-Jahren erbaut wurden, steht

Volksschule für Knaben und Mädchen

Auf älteren Gebäuden steht manchmal auch nur ein Geschlecht (z.B. »Volksschule für Knaben«). (In Österreich gibt es keine Grundschulen sondern Volksschulen für die ersten vier Schuljahre eines Kindes.)

Eine ganz besondere Knabenschule, die weltweit bekannt ist, und die auch heute noch eine reine Knabenschule (ohne Mädchen) ist, sind die

Wiener Sängerknaben

Das ist allerdings nicht nur eine Volksschule, sondern auch ein Realgymnasium, dessen Schwerpunkt bekanntermaßen auf dem Unterricht von Vokalmusik liegt.


Nachtrag (Reaktion auf einen Kommentar):

Das männliche Kind heißt nicht Bube, sondern Bub (ohne E am Ende). Der Bube existiert daneben aber auch, das ist aber eine Spielkarte im französischen Blatt. (Die entsprechende Karte im doppeldeutschen Blatt, das in Österreich bei traditionellen Kartenspielen wie z.B. Schnapsen weiter verbreitet ist, heißt übrigens Unter.)

Ein männlicher Pubertierender heißt Bursch (ebenfalls ohne E). Übrigen haben in Österreich weder der Bursch noch das Mädl (das umgangssprachlich in der Endsilbe ebenfalls kein E, dafür aber ein vokalisiertes L hat) eine politisch/historisch bedenkliche Konnotation. Die Nazis haben beide Wörter um je ein E angereichert, damit sie weniger bayrisch bzw. österreichisch klingen, und im gesamten Reich verbreitet. Dadurch haben der Bursche und das Mädel im Norden noch immer einen braunen Beigeschmack, den der Bursch und das Mädl im Süden nicht haben.

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  • Man sollte vielleicht erwähnen, daß es in Österreich nicht "der Bube" heißt, sondern "der Bub". Und dann gibts noch den "Bursche"n, den assoziiere ich aber jedenfalls eher mit der NS-Zeit (bzw. "Burschenschaften").
    – ths
    Jul 19, 2018 at 11:13

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