Wer in Österreich lebt, hört im Schnitt mindestens einmal täglich diesen Ausruf:
Bist du deppert!
(Es gibt im österreichischen Privatfernsehen sogar eine wiederkehrende Sendung gleichen Names, in der man die Verschwendung von Steuergeldern anprangert.)
Ich habe eine Frage zum Satzbau dieses Aufrufs. Weil mir aber nicht klar ist, wie gut das Wort »deppert« auch außerhalb Österreichs bekannt ist, will ich es kurz erläutern. Wer das Wort bereits gut kennt, kann diese Erläuterung gerne überspringen.
Zum Wort »deppert«
Das Wort »deppert« ist das Adjektiv zum Nomen »Depp« (Dummkopf, Idiot). Es gehört zur österreichischen Umgangssprache, wird auch von Österreichern nicht als Teil der Standardsprache angesehen, und wird wie viele Adjektive in ost-österreichischen Dialekten durch Anfügen der Endsilbe »-ert« an ein Nomen oder Verb gebildet.
z.B. Die Luke → lukert = löchrig; stinken → stinkert (ein stinkerter Käse), wackeln → wacklert (ein wacklerter Tisch)Eine standarddeutsche Übersetzung des gegenständlichen Ausrufs wäre also z.B.
Bist du blöd!
Eine typische Verwendung:
Bernd: Die Pleite der Hypo-Alpe-Adria-Bank hat jeden einzelnen Österreicher im Schnitt 1800 Euro gekostet!
Klaus: Bist du deppert!Der genannte Ausruf ist zwar eine sehr häufige Verwendung des Adjektivs deppert, aber es ist keineswegs nur auf diesen Ausruf beschränkt. Es wird auch außerhalb dieser Fügung wie die meisten anderen Adjektive attributiv (»Du und dein deppertes Bier« = Du und dein blödes Bier), prädikativ (»Mei Bier is ned deppert« = Mein Bier ist nicht blöd) und adverbial (»Frog ned so deppert« = Frag nicht so blöd) verwendet.
Zur Frage (Satzbau)
Meine Frage dreht sich aber nicht um das Wort an sich, sondern um die Grammatik des Satzes. Der Satz beginnt ja mit dem Verb, damit entspricht der Satzbau voll und ganz dem einer geschlossenen Frage (also einer Frage, die mit ja oder nein zu beantworten ist):
Bist du deppert? – Bist du blöd?
So ist der Ausruf aber nicht gemeint. Semantisch ist dieser Satz keine Frage. Niemand, der diesen Ausruf tätigt, erwartet darauf eine Antwort und niemand, der diesen Ausruf kennt, würde ihn als Frage interpretieren. Es ist ein Ausruf plötzlichen Erstaunens oder sogar ein Ausruf des Entsetzens. Häufig gefolgt von »Des gibt's jo ned!« (»Das gibt es ja nicht!«) um auszudrücken, dass es einem schwer fällt, den eben gehörten Sachverhalt als wahr anzuerkennen.
Als Ausruf müsste der Satz eigentlich wie eine Aussage gebaut sein, mit dem Verb an Position 2:
Du bist deppert! – Du bist blöd!
Das geht an der tatsächlich transportierten Bedeutung aber noch weiter vorbei, denn in »bist du deppert!« ist mit du keine bestimmte Person gemeint, schon gar nicht der Gesprächspartner.
Irgendwie will dieser Satz in kein mir bekanntes grammatisch/semantisches Schema passen. Mir fallen auch keine anderen Fragen ein, die als Ausruf ihren semantischen Fragecharakter vollkommen verlieren.
Gibt es auch noch andere ähnliche Beispiele?
Wenn der Satz semantisch keine Frage ist, wie ist er dann grammatisch zu bewerten?