Zu Beginn möchte ich die Prämisse der Frage selber in Frage stellen. Natürlich ist es grammatikalisch nicht notwendig gendergerechte Sprache zu haben. Aber da Sprache schon immer mehr war als eine rein syntaktische Angelegenheit ist es sinnvoll sich auch mit der Semantik (beabsichtigt und wahrgenommen) zu beschäftigen.
Beim Beispiel "Lehrer" und "Lehrerin" fällt dies in diesem Zusammenhang direkt auf. Die (grammatikalisch) maskuline Form wird für eine männliche Lehrperson verwendet und die (flektierte) feminine Form für eine weibliche Lehrperson. Diese Korrelation zwischen grammatikalischen und biologischen/sozialen Geschlechts ist, was in der Kritik steht. (Zu einem gewissen Punkt existieren auch kausale Zusammenhänge, wo Bezeichnungen eindeutig Bezug auf das biologische Geschlecht nehmen (z.B. Hausfrau, Putzfrau, Laufbursche, Krankenschwester, Feuerwehrmann))
Ein besonderes Problem für die gendergerechte Sprache stellt das generische Maskulinum dar. Außer historischen Gründen (die sich in der aktuellen Grammatik niedergeschlagen haben), gibt es keinen vernünftigen Grund warum eine generisch maskuline Form verwendet werden soll. Die deutsche Sprache würde genauso gut (oder schlecht) funktionieren fall das generische Maskulinum durch ein anderes grammatikalisches Geschlecht ersetzt wird. In unserem heutigen Sprachgebrauch (mit der Trennung zwischen dem Lehrer (m) und der Lehrerin (w)) wirkt das generische Maskulinum auf einige Leute aus der Zeit gefallen, da es für den unbedarften Betrachter sofort die Assoziation mit dem (biologisch oder sozialem) Mann weckt.
Ist es sinnvoll eine "gegenderte" Version zu nutzen? Grammatikalisch gesehen "Nein", auf einer sozialen Ebene "Ja" (unabhängig von den eigenen Überzeugungen sollte ein respektvoller Umgang mit Rücksichtname auf die Gefühle anderer zum Standard gehören, aber das ist nur meine persönliche Meinung).
Daher ist für mich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, statt sämtliche Texte (meiner Meinung nach unnötig) in die Länge zu ziehen, ein Umdenken der Deutschsprecher anzuregen, was die Deckungsgleichheit mit dem grammatischen Geschlecht und dem Gender anbelangt.
Hier stimme ich teilweise zu. Natürlich sollte man die Deutschsprecher zu einem Umdenken über die Deckungsgleichheit zwischen grammatischen Geschlecht und Gender erziehen. Aber auch mit Bezug auf die neue "Sprachrealität" die (abweichend von der aktuellen Grammatik) bereits eine Assoziation zwischen grammatischen und biologisch/sozialem Geschlecht herstellt. Aber dieses Umdenken wird lange Dauern und von vielen Seiten Diskussionen erfordern (und am Ende kann eine andere Grammatik stehen oder ein anderes Sprachverständnis).
Demzufolge wäre es einfacher, wenn man unter dem Wort "Lehrer" beide Geschlechter versteht (wie in zahlreichen anderen Sprachen [bspw. dem Englischen]) und, nur wenn man explizit erwähnen möchte, dass es sich ausschließlich um eine weibliche Lehrkraft handelt, kann man den Suffix "-in" verwenden.
Im Englischen existiert kein grammatikalisches Geschlecht, daher auch kein Problem mit einem generischen Maskulinum. Und warum sollten Frauen einzeln erwähnt werden? Dies ist die Form der (grammatikalischen) Ungleichbehandlung die von Verfechtern der gendergerechten Sprache angeprangert wird. Als Gedankenexperiment kann man sich vorstellen, dass sämtliche Bezeichnungen ab dem 01.01.2019 im generischen Femininum zu stehen haben. Stellenanzeigen werden dann "eine Lehrerin (w/m)" suchen, wir sprechen von den Leserinnen dieses Beitrags und die Deutsch-Sprecherinnen können dann die abweichende maskuline Form nutzen, wenn sie sich sicher sind, dass in der Gruppe keine einzige weibliche Person enthalten ist (also nur Männer). Wer darin kein Problem sieht (als Mann), den würde ich bitten aus Rücksicht auf alle, die im momentanen Sprachgebrauch mit dem generischen Maskulinum ein Problem sehen, im nächsten Jahr das generische Femininum zu verwenden.
Oder was machen wir, wenn die "neuen" Gender (divers?!) Einzug finden? Erfinden wir dann neue Suffixe? Und bekommt der Mann dann auch einen?
Es gibt bereits Vorschläge wie man damit umgehen könnte. Die berühmt-berüchtigte -x Endung (X-Form) (Hier eine andere Frage dazu), oder das Gendersternchen (*) sind einige Vorschläge. Die deutsche Wikipedia Seite zu gendergerechter Sprache enthält weitere Vorschläge.
Wem diese alternativen Schreibweisen zu unübersichtlich werden, der hat immer noch die Möglichkeit des generischen Femininums (diskriminierend gegenüber allen Personen, die sich nicht als weiblich identifizieren) oder des generischen Neutrums.
Zusammengefasst: Es gibt keine grammatikalische Notwendigkeit für gendergerechte Sprache, aber sehr wohl eine soziale. Die deutsche Sprache findet sich an dieser Stelle an einer Veränderung (so dass ein Berufen auf die Grammatik kein besonders wirksames Argument ist, da der tatsächliche Sprachgebrauch bereits davon abgewichen ist). Und es gibt genügend Varianten aus denen man zur Zeit auswählen kann, mit unterschiedlichen Inklusionsstufen (z.B. nur ein Geschlecht, nur binäre Geschlechter, allgemeine Platzhalter für alle Geschlechter) und jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile.
Meine persönliche Meinung zum Abschluss: Ich denke wir sollten unsere Energie und Diskussionen eher darauf konzentrieren eine lesbare Variante für die Zukunft zu finden in der sich alle eingeschlossen fühlen, als darüber zu diskutieren warum jene Personen, die sich im Moment ausgeschlossen fühlen, "falsch" (und sei es nur grammatikalisch falsch) liegen und sich bitte schön in der aktuellen Grammatik eingeschlossen fühlen sollen.