Als Alternative zum Genitiv gibt es das dem-sein-Konstrukt. (Keine Ahnung, wie man es sonst nennen sollte):
Der Frau ihre Handtasche. Dem Fritz sein Schwager.
Wo ist diese Form gebräuchlich?
In Schwaben und im Alemannischen und ich glaube im Schweizerdeutschen ist es definitiv ein fester Bestandteil der Sprache. Ich würde es deshalb vom Gefühl her nicht als reine umgangssprachliche Verkümmerung abtun, bin aber kein Experte.
Zu der Frage, was sie sind, sagt Wikipedia:
Possessiv-Konstruktionen [Bearbeiten]
Besitzanzeigende Dativkonstruktionen nach dem Muster
Nominalphrase Possessivpronomen Substantiv Nominativ
(z. B. „Dem Hans sein Hut“) sind seit langem in den meisten deutschen Dialekten und der Umgangssprache verbreitet.Belegt sind sie seit althochdeutscher Zeit: „du uuart demo balderes uolon sin uuoz birenkit“ – „dem Fohlen sein Fuß“ (Merseburger Zaubersprüche). Die Nominalphrase kann dabei auch durch ein Demonstrativpronomen („dem sein Hut“) oder eine Interrogativpronomen („wem sein Hut“) repräsentiert werden. Ferner sind rekursiv ineinander gebettete Konstruktionen möglich („Der Frau ihrem Mann sein Hut“).
In der Schriftsprache und der gehobenen Sprache sind diese Formen nicht üblich und gelten als ungrammatisch oder zumindest als stilistisch fragwürdig. Ausdruck findet diese Haltung in dem von Bastian Sick aufgegriffenen ironischen Sponti-Spruch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“.
Die Ersetzung des possessiven Genitivs durch den possessiven Dativ ist eine ganz natürliche Weiterentwicklung, die man in sehr vielen indoeuropäischen Sprachen beobachten kann. Folgende Beispiele zeigen, warum das so natürlich ist:
Der Dieb hat der Frau ihre Handtasche gestohlen. (Der Dieb hat der Frau einen Gegenstand gestohlen.)
Die Rechnung hat dem Fritz sein Schwager bezahlt. (Die Rechnung hat dem Fritz ein Verwandter bezahlt.)
In Klammern habe ich jeweils einen weiteren Satz hinzugefügt, der dieselbe hochsprachliche Konstruktion verwendet – für den Fall, dass jemand nur die dialektale/umgangssprachliche Konstruktion mit dem possessiven Dativ sieht.
In manchen Sprachen ist die obige Konstruktion einfach nur eine mögliche Variante an Stelle der folgenden mit dem possessiven Genitiv:
Der Dieb hat die Handtasche der Frau gestohlen.
Die Rechnung hat Fritz’ Schwager bezahlt.
In manchen Sprachen ist es aber – zumindest in bestimmten Fällen – unidiomatisch, den possessiven Genitiv zu benutzen, wenn man dasselbe auch mit einer Dativkonstruktion wie oben ausdrücken kann. Das kann man als den Beginn einer Entwicklung vom possessiven Genitiv zum possessiven Dativ interpretieren. Und in vielen Fällen ist es nicht dabei geblieben.
In den anderen westgermanischen Nationalsprachen Englisch und Niederländisch ist diese Entwicklung durch den fast völligen Verlust auch des Dativs inzwischen überholt. Aber in vielen deutschen Dialekten ist der Genitiv praktisch genauso tot wie im Niederländischen (d.h. existiert nur noch in erstarrten Ausdrücken), und in allen deutschen Dialekten ist der possessive Dativ neben von-Konstruktionen eine Standardkonstruktion.
Wer glaubt, dass das ein Symptom des Niedergangs der deutschen Sprache ist, sollte sich vielleicht klar machen, dass der possessive Dativ z.B. im klassischen Latein und Griechisch eine Standardkonstruktion ist, die man in praktisch allen deutschen Dialekten besser wiedergeben kann als im Standard-Hochdeutsch.
Abschweifung: Ein weiteres interessantes Phänomen in diesem Zusammenhang ist das hohe Ansehen, das der possessive Dativ im Englischen auf Grund eines Missverständnisses vorübergehend genoss. Durch die Reduzierung des Genitivs auf ein einheitliches ’s (bzw. ’ bei Wörtern, die auf s enden) und den völligen Verlust von Dativendungen war der Weg frei, um Fritz his brother-in-law als ausgeschriebene Variante von Fritz’ brother-in-law zu interpretieren, und kurioserweise ebenso the woman her handbag als die ursprüngliche Langform von the woman’s handbag. In formalen Texten aus der betreffenden Zeit gibt es daher neben der heute noch üblichen Vermeidung von Kontraktionen wie it’s eine starke Tendenz, auch den sächsischen Genitiv durch den possessiven Dativ zu ersetzen. (Ich nenne das jetzt einfach mal so, auch wenn es im Englischen natürlich schon damals den Unterschied zwischen Nominativ, Akkusativ und Dativ nur noch bei Personalpronomen gab, so dass man ohne die Analogie zu Konstruktionen in anderen Sprachen genauso gut von einem possessiven Nominativ oder Akkusativ sprechen könnte.)
Die deutsche Standardsprache hinkt hier also der allgemeinen sprachlichen Entwicklung hinterher. Möglich ist das, weil im Deutschen, ähnlich wie z.B. im Französischen und anders als z.B. im Niederländischen und im Englischen, die literarische Sprache seit jeher und auch heute noch relativ stark von der Umgangssprache isoliert ist. Das hat den Vorteil, dass sich (u.A. durch die Rückwirkung der literarischen Sprache auf Umgangssprache und Dialekte) die Sprache insgesamt langsamer ändert und literarische Texte länger ohne Übersetzung verständlich bleiben. Andererseits hat es den Nachteil, dass viele Kinder in der Schule das Lesen und Schreiben quasi in einer Fremdsprache lernen und auch manche Erwachsene Schwierigkeiten haben, sich schriftlich auszudrücken.
Irgendwann, vielleicht in relativ ferner Zukunft, werden diese Probleme überhandnehmen und man wird die dann herrschende Umgangssprache (oder eine frühere Form) zur Basis einer neuen Schriftsprache nehmen – so, wie sich z.B. im Italien des 16. Jahrhunderts eine italienische Schriftsprache auf der Basis der Werke von Dialektautoren des 13./14. Jahrhunderts wie Dante Alighieri als längst überfälliger Ersatz für das Lateinische durchsetzte. Schon vorher waren allerdings andere Schriftsprachen auf der Basis von Dialekten des Lateinischen entstanden, wie z.B. Französisch, Provençalisch oder Spanisch. Das zeigt, dass das Deutsche bei einer solchen Entwicklung weiter in Regionalsprachen zerfallen könnte. (Ähnlich, wie sich ja auch Niederländisch und Jiddisch bereits von der deutschen Sprachgemeinschaft abgekoppelt haben und der Prozess in der Schweiz momentan läuft. Aber dann wird man auch in Hamburg und München keine gemeinsame (deutsche) Schriftsprache mehr haben.)
Der unnötig große Abstand, den die deutsche Schriftsprache durch ihren Konservatismus von den nord- und den anderen westgermanischen Sprachen hat, könnte in der heutigen mobilen Welt aber schon vorher dazu führen, dass sich Deutsch als eine der (momentan drei) EU-Arbeitssprachen letztlich nicht bewährt und in einem vereinigten Europa am Ende eine marginale Rolle ähnlich dem Rätoromanischen in der Schweiz spielt. Wenn es so kommt, werden die meisten Kinder in der Schule wahrscheinlich erst einmal auf Englisch schreiben lernen.
I think it's most commonly associated with the "Ruhrgebiet", better known as "Ruhrpott" (informal) in Germany, where "Ruhrpott" is more closely associated to a certain social setting in which the infamous "dem sein"-form is used.
As far as I can tell it's usually frowned upon and should be avoided.
Aside of the already mentioned regions, that form is almost standard in the Saarland.
Diese Form ist ein wichtiger und unabdingbarer Bestandteil vieler Schweizer Dialekte. In Berndeutsch zum Beispiel heisst es:
Dere Frou iri Handtäsche. Am Fritz si Schwager.
Und es ist schlicht unmöglich, dies in einem Genitiv-Satz zu sagen. Den Genitiv gibt es nicht in diesem Kontext. Das hat auch nichts mit verkümmerter Grammatik zu tun, Berndeutsch ist älter als das heutige Hochdeutsch.
Die "dem-sein" Form erscheint auch in den Niederlanden, Flandern & Afrikaans.
"Dem Mann sein Hut" ---> "de man zijn hoed" im Niederländisch.
Im Afrikaans ist diese Form die häufigste Possessiv-Form: "die man se hoed". Also ist diese Form nicht nur in Deutschland gebräuchlich.
Hier in Österreich (beziehungsweise Oberösterreich) kommt es durchaus häufig vor, dass man diese Konstrukte im täglichen Sprachgebrauch verwendet. Allerdings nur wenn gesprochen wird, geschrieben wird trotzdem Hochdeutsch/österreichisches Deutsch.
Gesprochen:
Da Oma ia Hondtoschn
Am Fritz sei Schwoga
Geschrieben:
Omas Handtasche/Die Handtasche von Oma Der Schwager vom Fritz
Zusätzlich ist noch zu erwähnen, dass es hier meist nicht gut ankommt, wenn man beim Sprechen den Genitiv verwendet. Dadurch kann man sehr leicht als arrogant oder besserwisserisch eingeschätzt werden. Außerdem hört es sich für einen Österreicher einfach falsch an, wenn in einem Dialekt-Satz ein Genitiv vorkommt ;-)
Das sagen Menschen hier im Kölner Raum und in der Region Ruhr ebenfalls. Für diese Regionen kann ich es bejahen. Woher es kommt weiß ich nicht. Allerdings würde ich das auch eher als schlechten Stil betitteln wollen. ;)
In Sachsen und Preussen (Brandenburg) ist das umgangssprachlich durchaus üblich.
Auch bei uns in Südhessen ist das normale Umgangssprache, man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Hessischen Genitiv. Auch ich, der der Hochsprache durchaus mächtig bin, sage z.B.
Das ist dem Alex sein Rechner!
Im Badischen Dialekt bzw. Umgangssprache habe ich die Form definitiv gehört, wobei ich nicht weiß, wie das betrachtet wird (als korrekt oder "schlechter Sprachgebrauch").
Im Zusammenhang mit Computer klingt für mich eigentlich nur
Dem Klaus sein Computer hat einen Virus, eine Macke oder zu wenig Speicher
richtig. Gibt es jemand, der das sauber mit Genitiv ausdrücken kann, ohne sich die Zunge abzubeißen?
Edit:
Nicht der Computer verursacht hier das Problem.
Marias Computer ist zu langsam.
Hingegen scheinen Eigennamen, die auf s enden, verantwortlich zu sein.
Beispiele solcher Namen sind
Hans, Klaus, Doris
Besonders bei Doris würde ich keinen Genitiv anwenden, sondern sagen
Der Doris ihr Computer ist ... Der Computer von Doris ---
Klaus' Computer hat den Virus
, Doris' Computer ist defekt
. Der Computer von Doris
wäre der Computer, den mir Doris geschenkt hat - er ist von Doris oder von Vobis, aber jetzt meiner. Die Computer hatten mich in der kalten Fabrikhalle umzingelt. "Heißt es 'der', 'die' oder 'das' Doris?" bellten sie mir blechern entgegen. Nervös stottern verhaspelte ich mich sogleich: "Der Doris, Ihr Computer!"
Mein Todesurteil war besiegelt.`
Commented
Jun 8, 2011 at 0:30
Ich glaube, die Formel mit "dem sein" ist im ganzen deutschen Sprachraum bekannt edit: und wird auch gebraucht. Sie ist allerdings nur Umgangssprache und hat nicht Eingang in geschriebene Sprache gefunden, obwohl manche versucht haben, es auch in der Schriftsprache zu verbreiten. Ich habe ein altes etymologisches Wörterbuch, so von 1910, mit dem Titel
Auch in Südbrasilien mit dem Riograndenser Hunsrückische deitsche Dialekt/Sproch geht das ähnlich, ei ma' sääht jo:
Dem Paul sein Auto iss nochmol kaputt ...
Der Internetz ihre/seine Verbinnung in hieder Stadt iss üwerschlecht ...
Dem Kind sein Millich/Milch iss net woorrem/warm ...
dem-sein
-Tag denn gut sein, außer für diese eine Frage? … und wirklich, "abomination" würde ich das nicht nennen, man wird eher ein bisschen belächelt, aber es ist eine ganz lustige Sprachvariation (solange man es nur manchmal humorvoll einsetzt und nicht aus Unwissenheit so spricht). Im Rheinland wird es auch verwendet.