Der Nominalstil betont Zustände, die er als statische, abstrakte Gegebenheit suggeriert. Der Verbalstil stellt die Tätigkeit mit all ihren Aspekten der Zuordnung zum verantwortlichen Subjekt, des zeitlichen Verlaufs sowie kausaler Zusammenhänge in den Vordergrund.
Daher wirkt Verbalstil lebendiger: der Aktor ist im Subjekt klar benannt, das Verb als inhaltliches Hauptwort benennt die Aktivität und der zeitliche Verkauf macht die Aktivität leicht nachvollziehbar.
Beim Nominalstil ist der Leser gezwungen, all diese Informationen aus der Zustandsbeschreibung zu erschließen: wer könnte den Zustand erwirkt haben? In welcher Reihenfolge ist der Zustand zustande gekommen? Was wurde getan, um den Zustand zu erreichen?
Ohne diese Informationen bleibt die Aussage abstrakter und somit schwerer zu verstehen.
Nominalstil ist also nötig, um festzustellende Zustände zu benennen; Verbalstil, um ihre Entstehung plausibel, also nachvollziehbar, zu machen.
Insofern haben beide ihre Daseinsberechtigung; es kommt auf die Mischung an.
Verbalstil erzielen
Um Nominalstil zu vermeiden und lebendigere Texte zu erhalten gibt es einige Daumenregeln, die sich auch zur Selbstkontrolle eignen.
Das Ziel ist immer, ein möglichst einfacher Satzbau mit "SPO" (Subjekt/Prädikat/Objekt). Die Regeln helfen, diese drei Satzteile mit ausdruckskräftigen Worten zu besetzen.
Die Suche nach dem Verb
Die Endung "-ung" ist ein substantiviertes Verb und somit ein Kandidat für das eigentliche Verb im Satz.
Etwas subtiler, aber genauso aufzulösen, sind substantivierte Verlaufsformen wie "das Verzögern" statt "die Verzögerung".
Ein solchermassen gefundenes Verb ist im allgemeinen kürzer (ohne das -ung) und hilft, ein abstraktes (Behelfs-)Verb zu ersetzen: "Der Unfall bewirkt eine Verzögerung des Verkehrs" wird zu "Der Unfall verzögert den Verkehr".
Wer oder was ist das Subjekt?
Der oft begleitende Passiv im Nominalstil hilft, das Subjekt zu vermeiden oder in Nebenteile des Satzes auszulagern. Jedes "wird/werden", insbesondere zusammen mit "durch" hilft auf der Suche nach den Subjekt für den Satz.
Das Subjekt ausdrücklich zu nennen ist einer der Hauptvorteile des Verbalstils.
Der Verbalstil ordnet Verantwortung zu, statt sie vage zu vermeiden.
Was ist betroffen - das Objekt
Die verbleibenden Substantive enthalten in der Regel auch das Objekt der Tätigkeit. Da die Tätigkeit ja in einem Hauptwort "versteckt" war, ist das Objekt in einer indirekten Position verbunden. Im obigen Beispiel war es ein Genitiv; in Passiv-Sätzen kann es im Dativ stehen.
Eigenschaften in Adjektiven und Adverbien ausdrücken
Schließlich fördert der Verbalstil, das "wie" in Adjektiven zu beschreiben, um die Tätigkeiten noch besser vorstellbar und nachvollziehbarer zu machen. Die Adjektive und Adverbien helfen auch, den schematischen SPO-Satzbau aufzulockern.
Anwendungsfälle
Eigentlich gibt es keinen Grund, Texte weniger verständlich, weniger persönlich und weniger abwechslungsreich zu gestalten. Dies gilt für literarische wie funktionale Texte.
Nominalstil fördert Unpersönlichkeit, reduziert oder verwischt Verantwortung, bietet Raum für vage Aussagen mit Lücken und fordert vom Leser unnötigerweise ein höheres Abstraktionsvermögen. Insofern überhöht er den Autor zu Lasten des Lesers - er bestraft dem Leser geradezu mit dem Text.
Insbesondere Lebensläufe, in denen Tätigkeiten (=Fähigkeiten) und der Aktor (=der Bewerber) im Vordergrund stehen, sollten im Verbalstil gefasst sein.
Aber auch juristische, wissenschaftliche oder journalistische Texte profitieren vom Verbalstil.