Was in slavischen Sprachen vorzugsweise durch den Verbalaspekt mit seinen grammatikalisierten Formen ausgedrückt wird - Abgeschlossenheit oder Nichtabgeschlossenheit einer Handlung - wird im Deutschen oft auf lexikalischem Wege ausgedrückt.
BG: Свалих я.
DE: Ich hab' sie rumgekriegt.
Gemeint ist (und verstanden wird) hier: Das "Rumkriegen" (ich bitte um Verzeihung wegen der sexismusverdächtigen Ausdrucksweise; es ist dem Beispiel geschuldet) fand einmal statt; oder es kann auch mehrmals stattgefunden haben, aber das ist nicht der Gesichtspunkt (Aspekt!), auf den es dem Sprecher ankommt. Er will vielmehr auf das Resultat hinweisen: Dass er die Angebetete am Ende tatsächlich gekriegt hat.
BG: Свалях я.
DE: Über einen längeren Zeitraum bin ich mit ihr ausgegangen (mit dem Ziel, sie rumzukriegen).
In diesem Fall ist die Erzählsituation auch eine andere: Der Sprecher ist vermutlich dabei, eine längere Geschichte zu erzählen, und in deren Verlauf werden auch die Flirt- und Dating-Aktivitäten dargestellt, aber eben mit Blick auf deren Verlauf, nicht so sehr das Ergebnis. In der Tat ist es sowohl im deutschen wie im bulgarischen Beispiel nicht klar, ob dem Protagonisten das "Rumkriegen" am Ende gelungen ist.
Wie man an den Beispielen sieht, liegt es im Deutschen nahe, den Aspekt (den Blick auf die Handlung bzw. das Resultat) durch eine spezielle Wortwahl auszudrücken. Die Wortwahl ist nun nicht so leicht regelhaft vorhersehbar, sondern hängt stark vom Kontext ab.
Allerdings gibt es im Deutschen auch die Unterscheidung von Perfekt und Präteritum als Tempus, was ja im Grunde eine ähnliche Unterscheidung trägt:
BG: Седнах при тях.
DE: Ich habe mich zu ihnen gesetzt.
Hier wird auf das Resultat abgehoben: Es geht dem Sprecher hier nicht um den Vorgang des zum Tisch Gehens und sich dann Niederlassens (prozedural) sondern um das Resultat: dass er dann mit diesen und jenen Leuten zusammensaß.
BG: Сядох.
DE: Ich setzte mich / Ich setzte mich hin.
Bei Ich setzte mich ist wie im Bulgarischen durch die Tempusform ausgedrückt, dass der Sprecher dabei vor allem den Vorgang an sich meint und nicht das Resultat. So etwas sagt man häufig als Teil einer Erzählung, wenn die Teilhandlung also eingebettet ist in eine längere Kette konsekutiver Handlungen.
Zum "Aspekt" in den slavischen Sprachen - sowie zu Ausdrucksformen, die diese Funktion in anderen Sprachfamilien übernehmen - gibt es umfangreiche Forschungliteratur. Eine Autorin, die sich viel mit diesen Fragen befasst hat, ist die bayerisch-schweizerische Slavistin Barbara Sonnenhauser. Bei ihr findet man auch Arbeiten zu vergleichbaren Ausdrucksformen im Bairischen.
PS: Das bulgarische Beispiel eignet sich übrigens für eine hübsche kontrastive Verdichtung:
BG: Свалях я но не я свалих.
DE: Ich hab' sie intensiv angebaggert, aber ich hab' sie am Ende dann leider doch nicht rumgekriegt.
Man sieht hier auch, wie im Deutschen der Aspekt lexikalisch ausgedrückt wird mit Wörtchen und Ausdrücken wie "am Ende", "dann", "doch", "intensiv", etc.
Die Möglichkeit der Unterscheidung durch die Tempus-Arten Perfekt und Prästeritum wird im diesem (alltagssprachlichen) Beispiel nicht genutzt. Diese Unterscheidung findet sich eher in elaborierteren schriftsprachlichen Texten. In der legeren Alltagssprache tendiert man im Deutschen dazu, die "habe"-Vergangenheit zu nutzen und Verbalaspekt durch Zusatzwörtchen einzuflechten.