Dies ist ein bekannter Zweifelsfall. Beides ist möglich. Heutzutage tritt jedoch die Form «wir Deutschen» häufiger auf.
Wie kommt es zu der Schwankung?
Das Wort «Deutsche» ist, grammatisch gesehen, ein Adjektiv (denn Adjektive sind diejenigen Wörter, die nach Definitheit, Numerus, Genus und Komparation deklinieren). In der grammatischen Kategorie der Definitheit haben Adjektive starke oder schwache Endungen:
- Starke Endung: Deutsche fürchten Gott.
- Schwache Endung: Die Deutschen fürchten Gott.
Nota bene: Beide Fälle sind bzgl. der übrigen grammatischen Kategorien völlig gleich: Kasus ist Nominativ, Numerus Plural (daher Genus unbestimmt), Komparation Positiv. Ausserdem spielt es keine Rolle, ob auf das Adjektiv ein Substantiv folgt oder nicht (ausser für die Rechtschreibung):
- Starke Endung: Deutsche Menschen fürchten Gott.
- Schwache Endung: Die deutschen Menschen fürchten Gott.
Nach verschiedenen Wörtern, insbesondere nach unbestimmten Zahladjektiven ist der Gebrauch schwankend und es kommen sowohl starke als auch schwache Endungen vor, z.B. nach Wörtern wie alle, andere, beide, einige, etliche, folgende, manche, mehrere, sämtliche, solche, viele, welche, wenige (Liste aus meiner alten Duden-Grammatik):
- Starke Endung: Manche Deutsche fürchten Gott.
- Schwache Endung: Manche Deutschen fürchten Gott.
Ebenso ist dies der Fall nach Personalpronomen:
- Starke Endung: Wir Deutsche fürchten Gott.
- Schwache Endung: Wir Deutschen fürchten Gott.
Beides ist richtig.
Welche Form ist häufiger?
Die Dudengrammatik (Duden, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 6., neu bearbeitete Auflage, Mannheim, Leipzig Wien Zürich, 1998, §481: «Das Adjektiv nach Personalpronomen») beschreibt, dass die Schwankung zwischen starker und schwacher Endung im Dativ singular aller drei Genera und im Nominativ plural auftritt. Zum Nominativ plural – wie er in «wir Deutsche(n)» vorliegt – heisst es Folgendes (wobei mit «Typ II» die schwache Endung gemeint ist):
Im Nom. Plur. wird heute das Adjektiv im Allgemeinen nach Typ II, also wie nach diese, gebeugt, bei ihr noch häufiger als bei wir:
wir erbärmlichen Wichte, wir älteren Leute (Carossa), ihr motorisierten Narren (Kästner).
Der von tofro angeführte Artikel Wir Deutschen lieben Fussball oder Wir Deutsche lieben Fussball? — Flexion von adjektivischen Bezeichnungen nach einem Personalpronomen des IDS weist darauf hin, dass bei einer Suche mit Google oder im IDS-Korpus die schwache Form «wir Deutschen» etwa doppelt so viele Treffer erzielt wie die starke Form «wir Deutsche». Dies deckt sich mit der zitierten Aussage aus der Dudengrammatik.
Nach Dudengrammatik und IDS ist also heutzutage nach «wir» die schwache Form «wir Deutschen» häufiger.
Was hat Bismarck wirklich gesagt?
Laut dem zitierten Artikel des IDS ist Bismarcks Zitat häufiger mit starker Adjektiv-Endung in der Form «Wir Deutsche fürchten Gott» anzutreffen. Allerdings erscheine das Zitat schon im 19. Jahrhundert mit beiden Formen. Der Artikel meint lapidar:
Übrigens spricht diese «Variatio» nicht unbedingt für die Genauigkeit der Zitierenden.
Laut dem Artikel des IDS habe Bismarck also eher «wir Deutsche» gesagt, doch sei es nicht sicher.