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Bei Wörter mit einer Herkunft von zwei etwas gibt es manchmal der Form mit zwie-:

Zwiegespräch, Zwieback, Zwietracht

und manchmal mit zwei-:

Zweikampf, Zweirad

Und es gibt sowohl zweigespalten als zwiegespalten, wobei früher zweigespalten dominant war, aber heute zwiegespalten:

google ngram Statistik zwiegespalten / zweigespalten
Quelle: Google Ngram

Warum habe manche Wörter zwie-, manche Wörter zwei-, und hat es bei zwiegespalten einen Wechsel gegeben? Ich meine, dass es in bestimmte Dialekte einen Wechsel gibt zwischen den Läuten /aɪ/ und /ɪ/, allerdings sagen wir niemals zwie statt zwei (man kann zwo sagen, aber mit sind keine Wortbildungen mit zwo bekannt, jedenfalls nicht als Schriftsprache).

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  • 1
    Aber wir sagen 'zwo'. Nov 30, 2022 at 8:20
  • 2
    Auch: Zwiegespräch, Zwieback.
    – gerrit
    Nov 30, 2022 at 8:24
  • 1
    @JonathanScholbach Vielleicht; ich glaube, ich muss das vielleicht dreimal lesen. Also bei älteren Bildungen haben wir "zwie-", bei neueren "zwei-"? Allerdings erklärt das nicht der Wechsel bei zwiegespalten.
    – gerrit
    Nov 30, 2022 at 8:46
  • 1
    Danke für dir Präzisierung! Ich würde vermuten, dass zwiegespalten sich nachträglich an zwiespältig anlehnt. Aber das kann ich nicht belegen. Nov 30, 2022 at 8:47
  • 3
    Wenn ich mir die Google-Treffer zu "zweigespalten" aus dem 19. Jahrhundert ansehe, scheint dort biologische oder anatomische Fachliteratur vorzuherrschen - dort kann nur "zweigespalten" zutreffend sein (das Blatt ist zweigespalten, nicht zwiegespalten). Der Befund kann also schlicht korpusspezifisch sein.
    – tohuwawohu
    Nov 30, 2022 at 12:22

2 Answers 2

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1. Der Wechsel /i/ – /aɪ/ hat nichts mit der neuhochdeutschen Diphthongierung zu tun, da das Ahd. auch schon die Form zwei hatte (im Nom. Akk. Neut. sowie im Gen. und Dat. aller Genera, BMZ). Auch die ältere Genusdifferenzierung (in Dialekten bis heute erhalten, s. diesen Beitrag) m. zwēne, f. zwā, zwō, n. zwei hat damit nichts zu tun.

2. Die Form zwi- tritt seit ahd. Zeit in Komposita auf: ahd. zwifalt "doppelt", zwibar "Zuber" (wg. der zwei Griffe); s. Köbler.

3. Zwiegespalten ist an sich ein sehr junges Wort; siehe die Wortverlaufskurven bei zwiegespalten, zwiespältig, Zwiespalt.

4. Produktiv ist wahrscheinlich nur noch zwei-; das junge zwiegespalten ist offensichtlich in Analogie zu älterem zwiespältig gebildet.

5. Während die Komposita mit zwei- eher wörtlich verstanden werden, haben die mit zwie- tendentiell übertragene Bedeutung (oder die Bedeutung ist ganz verblaßt). Wenn es um den inneren Konflikt geht, würde ich daher zwiegespalten erwarten; die (normalerweise älteren) Belege mit zweigespalten sind aber wörtlich gemeint: Die Menschen auf der Welt sind leider zweigespalten, die Frommen ohn' Vernunft, Vernünf'tge ohne Glauben (Quelle).

6. Zwie- als gebundene Einheit hat eigene Wörterbucheinträge, siehe z.B. DWDS, DWB.

Kurzzusammenfassung: Konkurrenz der alten gebundenen Form zwie- mit dem freien zwei und Differenzierung des Gebrauchs.

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Siehe die Wörterbücher von Kluge oder Wolfgang Pfeifer zur Lautgeschichte (DWDS.de [1])

Der reguläre Ausgang des Zahlwortes wäre zwo. Zwei entstand vermutlich durch Assimilation in der Aufzählung eins, zwei, drei [Kluge]. Die Wurzel lässt sich gewisser Maßen bis in der Vorzeit zurückverfolgen. Indogermanisten der letzten 150 Jahre rekonstruieren *dwo- (bzw. *du̯ō(u) [Pfeifer]): vgl. Englisch two, latein duo, etc.

Daneben werden Kompositionsformen *dwei- und *dwi- geführt: vgl. englisch twilight "Zwielicht, Dämmerung", Latein di, dui-, bis ~ bi-, daher bspw. biscuit "Weichkeks" wie Zwieback; demnach ebenso bicycle.

Daraus lässt sich schlussfolgern, das Zweirad muss eine neuere Wortschöpfung sein, sowie die Erfindung des Drahtesels relativ jung ist.


Allerdings ist schon im Mittelniederdeutschen Varianz mitsamt twē, twei, twī für das Zahlwort nachweisbar, das nach Umlautung (ca. 13. - 15. Jh.) zwar unserer Zwei entsprechen dürfte (Hörprobe bei Fettes Brot, Nordisch by Nature).

Somit ist Zweifel angezeigt: vgl. französisch doubt, dubios, griechisch diploid, gothisch tweifels, laut Pfeifer auf *du̯ei- zurückzuführen, sowie bis zum Neuhochdeutschen zwīfel steht, niederdeutsch twīvel.

Für den Diphtong -ei- ist augenscheinlich der Akzentsitz auf der ersten Silbe verantwortlich, der für Simplexe im deutschen typisch ist, sowie der Suffix unbetont ist. Da ein-fäl-tig, usw. jedoch nicht ohne weiteres mit Faltung erklärt werden können (s. Meinungen von Latin.SE bzgl. replicare "reply") ist diese Formation sowieso fragwürdig.


Übrigens scheint es auch Verwechslung mit *dwis- zu geben, vgl. zer-, lateinisch dis-; zudem Zwist "Disput", twist "zerreißen". Obgleich *wi- wenn überhaupt nur als spätere Ableitung behandelt wird, vgl. wider, wieder, Widerstreit, Wiederwort, insb. Sanskrit vi-, so besteht über die Verhältnisse letztendlich doch noch Unklarheit.

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  • Sehr strukturierter und verständlicher Beitrag! +1 Dec 11, 2022 at 21:05

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