ist der Linuxbefehl mkdir
eine Abkürzung
Nein! Und zwar "NEIN!" aus mehreren Gründen:
Erstens ist "mkdir" kein "Linuxbefehl", sondern ein "UNIX"-Befehl. Er ist seit Anfang an in UNIX wie auch in "UNIX-ähnlichen" Betriebssystemen (dazu zählt Linux) vorhanden und sein Vorhandensein ist (für UNIX-Systeme) vorgeschrieben durch den sogenannten POSIX-Standard, den Systeme, die sich "UNIX" nennen wollen, erfüllen müssen. (Für den Fall, daß Sie eine mehr technische Beschreibung wünschen: genaugenommen ist "mkdir" - das Kommando - nur ein bißchen Drumherum um einen sehr grundlegenden System Call, eine Funktion aus der Standard-Bibliothek (stdlib) namens mkdir()
, der seinerseits ein Directory anlegt. Das Kommando ist nur ein wenig Code um diese Funktion herum, der die Kommandozeile auswertet, einen Rückgabewert ans Betriebssystem zurückgibt und dgl. mehr.)
Zweitens ist "mkdir" keine Abkürzung - es ist ein Befehl. Ja, der Befehl dient dazu, ein Directory (je nachdem auch mehrere Directories) anzulegen, aber der Befehl "mkdir" ist nicht die "Abkürzung für make directory", sondern hat nie anders als eben so geheißen. Der griechische Buchstabe π für das Verhältnis von Kreisumfang und -durchmesser kommt from griechischen Wort "περίμετρος" ("perímetros", Umfang), dennoch ist π keine "Abkürzung", sondern heißt so, wie es eben heißt. Mutatis mutandis gilt das auch für "mkdir" bzw. "mkdir()".
Drittens: die Frage der Übersetzung technischer Fachbegriffe ist eine diffizile und im Allgemeinen wird darüber ziemlich viel gestritten. Klar kann man "Directory" mit "Verzeichnis" oder "Ordner" übersetzen - aber dann sollte man konsequent sein und auch alle anderen Begriffe ins Deutsche übersetzen.
Nur damit das klar ist: "ins Deutsche übersetzen" heißt dann nicht, die englischen durch lateinische und griechische Fremdwörter zu ersetzen! Fremdwort ist Fremdwort! Dann heißt es eben nicht mehr "Filesystem", sondern "Sachverhaltsansammlungsanordnung", denn ein "File" ist dann eben nicht eine "Datei", sondern eine Ansammlung von DatenSachverhalten und das griechische "System" wird zur deutschen "Anordnung". Auf die Übersetzung von "Major Number" und "Minor Number" (das sind beides Eigenschaften eines Files in einem UNIX-Filesystem) bin ich gespannt.
Übrigens: Die hier bereits zitierte IBM hat im "Handbuch für Datenverarbeitung" einmal den "Stack Pointer" zu "Kellerstapelspeicherzeiger" übersetzt. Dagegen ist die "Sachverhaltsansammlungsanordnung" geradezu zivilnichtinderarmeeverwendet. Mannesmann-Tally hat in einer seiner Dokumentationen festgestellt, daß der Drucker durch "Fluchtfolgen" gesteuert wird - was stimmt, wenn man sich die "Escape-Sequenzen" vom Gebrauch abspart. Leider hat mir die Kenntnis aller dieser Feinheiten nichts genützt, als ich mal eine IBM R/6000 Mod J50 installieren sollte, bei der durch einen unglücklichen Zufall die Firmware auf Deutsch gestellt war. Wertvolle Minuten meines Lebens verbrachte ich mit dem Brüten darüber, was wohl eine "Seitenwechseleinheit" sein soll, bis endlich der Groschen "Paging Device" fiel. Es folgt daraus, daß man dem Übersetzungsbüro IBM nicht allzuviel Vertrauen entgegenbringen sollte - reputable Quellen sehen anders aus.
Unter dem Strich - wenigstens für mich, andere mögen zu anderen Schlüssen kommen - bleibt folgende Erkenntnis: Fremdworte sollte man gebrauchen, wenn das Fremdwort die dargestellte Sache besser und genauer (nuancierter) beschreibt als die deutsche Übersetzung. Karl Kraus hat das mal in der Glosse "Hier wird deutsch gespuckt" etwa so formuliert (ich paraphrasiere hier):
Man soll nicht von Kretins sprechen, wenn man es mit Trotteln zu tun hat, andererseits hat die Stupidität eine Farbe, die weder durch die Einfalt noch durch die Dummheit vollgültig ersetzt wird.
Insbesondere in der Fachsprache sollte man etablierte Begriffe verwenden. Kein Mediziner würde sich die "Luxation" etwa zu "Umrichtung" (das ist die deutsche Übersetzung) übersetzen lassen. Die nennen eine "bakterielle Infektion" auch genau so und nicht etwa "Verseuchung mit Kleinstlebewesen". Warum sollten Informatiker (Sachverhaltsdarstellungswissenschaftler?) sich nicht ihrer Fachsprache - die halt auf Englisch basiert, nicht auf Latein oder Griechisch - bedienen?
Mag sein, daß, wenn man diesen Maßstab zugrundelegt, "Verzeichnis" genausogut die Sache beschreibt, wie "Directory". Für das hier ebenfalls angeführte "Device" ist die Übersetzung "Gerät" schon mindestens fragwürdig (Devices sind auch Dinge, die keine Geräte sind, denn "Device" heißt eben auch "Kunstgriff" oder "Methode". Das, was durch "Device" beschrieben wird, wird durch den englischen Begriff gedeckt, nicht aber durch seine deutsche (Fehl-)Übersetzung. Schon gar nicht sollte man das "Device" durch "Einheit" (siehe oben) übersetzen, weil es genau das eben nicht ist.
Ganz schwierig wird es dann etwa bei der erwähnten "Major Number". Das ist übrigens das da, ich habe es fett markiert:
root@unixsystem:/> ls -l /dev | tail -n 10
crw-rw-rw- 1 root system 24, 11 May 10 2022 ttypb
crw-rw-rw- 1 root system 24, 12 May 10 2022 ttypc
crw-rw-rw- 1 root system 24, 13 May 10 2022 ttypd
crw-rw-rw- 1 root system 24, 14 May 10 2022 ttype
crw-rw-rw- 1 root system 24, 15 May 10 2022 ttypf
crw-r--r-- 1 root system 35, 1 Nov 17 11:02 urandom
crw------- 1 root system 11, 0 May 10 2022 vio0
crw------- 1 root system 16, 0 Mar 10 14:24 vty0
drwxr-xr-x 2 root system 256 May 10 2022 xti
crw-rw-rw- 1 root system 2, 3 May 10 2022 zero
Glaubt jemand ernsthaft, das mit "größere Zahl", "Hauptzahl" oder dergleichen übersetzen zu müssen und dann auch noch verstanden zu werden? Was ist mit mit "Pipe(-line)"? "Rohrleitung" gefällig? Solange ich mir jedenfalls im Fernsehen jeden Tag in der Werbung anhören muß, daß ich das Zeug, das man sich in die Haare schmieren soll, brauche, weil es "meine Styles" unterstützt und "alle meine Moves" mitmacht und die "Anti-Aging-Creme" für meine "Skin-Care" unheimlich wichtig sei, solange habe ich kein schlechtes Gewissen, ein Verzeichnis "Directory" zu nennen.
Zum Unterschied von "Verzeichnis" hat nämlich "Directory" als Entität eines Filesystems eine präzise Definition. Darunter versteht man eine exakt festlegte Sache. Unter "Verzeichnis" kann man alles mögliche verstehen. Auch das ist ein Grund, warum zum Beispiel Mediziner von "Pruritus" sprechen, wenn sie "Juckreiz" meinen. Ersterer Begriff ist exakt definiert, letzterer nicht.
PS: offensichtlich habe ich das Leseverständnis nicht korrekt eingeschätzt, deshalb hier für alle, die die implizierte Antwort: warum muß man es überhaupt übersetzen? nicht verstanden haben, nochmal explizit:
Man muß - wenigstens "Directory" - überhaupt nicht übersetzen, weil es ein Fachterminus ist.
Daß man "make" mit "machen", erzeugen", "erstellen", "produzieren" und dgl. mehr übersetzen kann, sagt einem zwar jedes Wörterbuch, aber sichheitshalber erwähne ich es hier nochmal, damit mir nicht nahcgesagt wird, ich wäre auf die Frage nicht eingegangen.
mkdir
die gleiche Bedeutung wieeine Papiermappe aufräumen
. Amerikaner sagen etwas Ähnliches wie "neuen leeren Ordner erstellen"