Zusammenfassung: Wenn die offiziellen Regeln es als Beispiel nutzen, halten deren Schaffer es wohl für korrekt. Ich halte die angeführten Beispiele dennoch für unsinnig, kann mir aber sinnvolle Beispiele für Anführungszeichen innerhalb des Wortes denken.
Wenn überhaupt, dann sind derartige Anführungszeichen durch den von Dir angeführten § 94 der Rechtschreibregeln erlaubt und wegen des expliziten Beispiels (»West„falen”«) ist davon auszugehen, dass sich die Schaffer der Regeln dies auch so gedacht haben, obwohl sie gegen ihre eigene Regel verstoßen, wenn man diese wörtlich nimmt (aber das wäre nicht der erste derartige Widerspruch). Bleibt die Frage, ob das denn wirklich so sinnvoll ist (und ob es weitere Widersprüche gibt).
Zunächst das Beispiel aus dem Rechtschreibregelwerk:
Das Wort „fälisch“ ist gebildet in Anlehnung an West„falen“.
Hier gibt es zwei Möglichkeiten, was eigentlich gesagt werden soll:
Das Wort, an das angelehnt wird, ist Westfalen. In diesem Fall ist das Wort, über das ich eine Aussage machen möchte, Westfalen und dieses ist dann gemäß der Regel auch in Anführungszeichen zu setzen:
Das Wort „fälisch“ ist gebildet in Anlehnung an „Westfalen“.
In diesem Fall sollte zwar jeder sehen, welcher Hälfte von Westfalen fälisch entstammt, aber in komplexeren Beispielen kann es durchaus sinnvoll sein, Wortteile zu betonen. Das ist dann aber eben eine Betonung und fällt nicht mehr unter den Zuständigkeitsbereich von Anführungszeichen und sollte m. E. daher durch irgendeine andere Weise der Textauszeichnung geschehen.
Das Wort, an das angelehnt wird, ist Falen. Das aber ist schlichtweg nicht die Aussage des Satzes, denn dort steht ja unmissverständlich, dass an Westfalen angelehnt wird. Möchte man dies aussagen, muss man also schreiben:
Das Wort „fälisch“ ist gebildet in Anlehnung an „Falen“.
(und dann vermutlich erklären, was Falen ist).
Im Duden-Beispiel ist die Unsinnigkeit m. E. noch deutlicher:
In dem Wort "Tri"athlon steckt das griechische "tri-" (drei).
Hier wird ausdrücklich eine Aussage über das Wort Triathlon gemacht und also ist dieses komplett in Anführungszeichen zu setzen:
In dem Wort „Triathlon“ steckt das griechische „tri-“ (drei).
Aber nur dass die beiden Beispiele unsinnig sind, heißt ja noch lange nicht, dass dies auf alle Beispiele zutrifft. Zwar kann ich mir kein Beispiel vorstellen, bei dem ich Anführungszeichen gemäß § 94 (3) innerhalb eines Wortes setzen würde, da sie alle an den oben angeführten Gründen scheitern, nämlich dass ich, wenn ich ein Wort komplett schreibe, auch über das ganze Wort eine Aussage treffe. Allerdings gibt es ja noch § 94 (4):
[Man kann deutlich machen:] Wörter oder Wortgruppen, die man anders als sonst – etwa ironisch oder übertragen – verstanden wissen will
Wenn ich – wie die Verfasser der Regeln ein paar Zeilen vorher – missachte, dass diese Regel Wortteile nicht erfasst, könnte ich z. B. schreiben:
Er wurde in „Schutz“haft genommen.
Hier kennzeichnen die Anführungszeichen, dass nur das Wort „Schutz“ irreführend ist – der Betroffene wird durchaus inhaftiert.
Über diese Phasenraum„verklebung“ erreiche ich Folgendes: …
Hier kennzeichnen die Anführungszeichen, dass ich Verklebung in Ermangelung eines besseren Wortes nutze und es kein bereits eingeführter Begriff oder ein gängiges Fachwort ist. Phasenraum ist hingegen ein gängiger Fachbegriff, weswegen er nicht in Anführungszeichen steht.
In beiden Beispielen wäre es zwar m. E. auch nicht falsch und eventuell sogar schöner, das ganze Wort in Anführungszeichen zu setzen; es entstehen aber auch keine logischen Probleme dadurch, dass nur ein Wortteil in Anführungszeichen steht.