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Besonders interessant finde ich den zweiten Teil der Frage: "Wieso gibt es eigentlich keine alte Rechtschreibung?" Ich verstehe die Frage so: Wieso findet man auf dem Buchmarkt sowie bei seinem modernen Vatermörder, dem Internet, keine (oder nur schwer) Wörterbücher oder Referenzen zur (guten, wenn man so will) alten Rechtschreibung?

Mit dem "wieso" tendiert die Frage natürlich ins Philosophische und die Antwort in die Richtung eines kultur- und gesellschaftskritischen Essays. Ich würde aber als ersten Ansatz kurz und knapp sagen: Offenbar ist kein Markt dafür vorhanden. Die Leute interessieren sich im allgemeinen nicht für die alte Rechtschreibung.

Nun kann man auch hier fragen: Wieso? Verschiedene Antworten sind möglich.

  1. Sie haben schon mit der neuen Probleme; sich auch noch mit der alten zu befassen, würde sie überfordern.

  2. Rechtschreibung interessiert sie überhaupt nicht eigentlich. Sie schreiben halt, wie sie die Dinge im Normalfall auch geschrieben finden, also nach dem Prinzip der stillen Post.

  3. Die Leute sind überwiegend stark autoritätsgläubig. Die neue Rechtschreibung wird ihnen unterbreitt als "offizielle Rechtschreibung" oder auch als "amtliche Regeln", und wenn etwas "amtlich" ist, dann erschrickt der Deutsche, steht stramm und muckst nicht mehr (bis die Gefahr vorüber ist). Dass es einer demokratischen, offenen Kulturgesellschaft unwürdig ist, dass sie sich ihre Schreibweisen von einer Ministerialbürokratie vorschreiben lässt, ist als Gedanke schon zu links und kritisch. Dass der Machtbereich der Bürokratien, die die Rechtschreibung "amtlich" festsetzen, auf eben diese Bürokratien (und das an sie angehängte Schulsystem) begrenzt ist, ist wieder eine Erkenntnis, die aktiv zu haben einen gewissen juristischen Hintergrund verlangt. Dass die Regeln der Rechtschreibung überwiegend in einem dauernden, unwillkürlichen Aushandlungsprozess vor allem jener, die Schriftliches produzieren und publizieren, entwickelt, gefestigt und umgestoßen werden, ist zwar theoretisch interessant, für den Alltagsschriftgebrauch aber keine Hilfe.

Ich helfe mir so: Ich halte mir nach wir vor ergänzend zu neueren Rechtschreibwerken einen schönen, dicken, alten "Duden Universalwörterbuch A-Z" von 1998, in dem ich nachschauen kann, wie man Dinge mal geschrieben hat. Das ist natürlich ein bisschen aufwendig (sic). In meinem Fall ist es der Duden, den ich mir in meiner ersten Woche als Zeitungsredakteur gekauft und dann täglich konsultiert habe, also auch ein Stück Nostalgie.

Diese alten Duden-Ausgaben findet man heute für wenig Geld bei den bekannten Angebotsstellen gebrauchter Bücher.