Natürlich kann man sich entschuldigen. Unzählige Muttersprachler tun das jeden Tag und werden von unzähligen anderen Muttersprachlern richtig verstanden.
Das Verb entschuldigen hat nun mal zwei verschiedene Bedeutungen:
- von Schuld freisprechen
- um Vergebung bitten
Zum einen ist das an sich nichts Ungewöhnliches. Das Wort Läufer z. B. hat zig verschiedene Bedeutungen. Um die Wikipedia kurz zu zitieren,
Die meisten Wörter sind polysem, beschreiben also mehrere mehr oder minder unterschiedliche Sachverhalte, die sich aus einem gemeinsamen Kontext entwickeln. Polysemie gilt als natürlichsprachlicher Normalfall und als Ausdruck des sprachlichen Ökonomie-Prinzips.
Zum anderen aber, was noch wichtiger ist: Die beiden Bedeutungen des Verbes sind auch grammatikalisch klar voneinander getrennt. In der Bedeutung 1 ist es transitiv, aber nicht reflexiv; in der Bedeutung 2 ist es reflexiv, aber nicht transitiv.
„Ich entschuldige Dich“ (transitiv) würde niemals als „Ich bitte für Dich um Vergebung“ missverstanden werden. Genauso wirst Du „Ich entschuldige mich“ (reflexiv) niemals als „Ich spreche mich selbst von jedweder Schuld frei“ missverstehen – außer Du legst es ganz gezielt darauf an, dem Sprecher Mehrdeutigkeit zu unterstellen, wo gar keine vorliegt. Auf Neudeutsch nennt man das wohl Trolling.
Wenn ich hingegen von einem Läufer spreche, hast Du grammatikalisch überhaupt keine Anhaltspunkte, ob ich damit Usain Bolt meine oder den Teppich, auf dem er übt. Oder den Teil eines Elektromotors, an den er dabei denkt. Oder die Schachfigur, die er dabei in der Hand hält. Oder, oder, oder. Einfach furchtbar! Wer also an Haarspalterei und Spitzfindigkeit Gefallen findet, sollte viel lieber an dieser Stelle ansetzen.