Praktisch alle umgangs- und fachsprachlichen Begriffe in diesem Bereich bieten verschiedene Angriffsflächen für Kritik, indem sie Details zu Opfer, Täter, Tat, Motiv, Rechtmäßigkeit, Einverständnis etc. andeuten oder aber verstecken. Wie bei nahezu allen Wörtern, insbesondere Komposita und Lehnwörtern, tritt die Kritik aber schnell in die etymologische Falle: Sie behauptet eine innere, eigentliche oder ursprüngliche Bedeutung, die in der Sprachpraxis meist gar keine oder kaum eine Rolle spielt. Allerdings kann andauernde oder öffentlichkeitswirksame Kritik das gesellschaftliche Bewusstsein durchaus beeinflussen.
Das heißt, wenn die im in der Frage zitierten Posting vertretene Ansicht oft genug wiederholt oder von einflussreichen Personen geteilt wird, wird sie letztendlich sprachliche Wirklichkeit, egal wie zutreffend sie anfänglich war.
Dies trifft in ähnlicher Weise auf Kritik anhand besetzter Begriffe zu: Gesellschaftliche Gruppen können u.a. durch vermehrte Verwendung die Deutungshoheit über Wörter bekommen und manche gelangen dadurch sogar in den Status eines Fahnenwortes. Dadurch wird im öffentlichen Sprachgebrauch vorangenommen, dass wer bestimmte Worte oder Formulierungen verwendet, einer bestimmten Denkrichtung angehört oder sich ihr anschließen möchte.
Ohne entsprechende Quellenarbeit traue ich mir eine genaue Einschätzung von Kinderschänder unter diesen Voraussetzungen nicht zu. Offensichtlich wird aber zumindest in bestimmten („linken“) Kreisen angenommen, dass die Verwendung dieses Begriffs Anzeichen für die Zugehörigkeit zu anderen („rechten“) Kreisen ist, also muss wer zu diesen bestimmten (oder zumindest nicht zu jenen anderen) Kreisen gerechnet werden will entweder auf das Wort gänzlich verzichten oder, was ungleich schwieriger ist, sich aktiv für eine Neubewertung einsetzen, d.h. die Übernahme der Deutungshoheit anstreben.
Somit bleibt erstens der allgemeine Hinweis, dass man die passendste Bezeichnung verwenden sollte, die man vertreten kann, wenn es denn überhaupt nötig ist, anderen Menschen solch einen (und womöglich nur diesen) Stempel aufzudrücken, und zweitens nochmal der spezielle Hinweis, dass es in diesem Fall wohl keine etablierte Bezeichnung gibt, die deutlich weniger angreifbar wäre.
Postskriptum
Es folgen nachträglich trotzdem ein paar Gedanken zu den Begrifflichkeiten, die helfen könnten, das passende Wort zu (er)finden.
Ein Peiniger ist ein Täter, der seinem Opfer i.d.R. unmittelbar körperliche oder seelische Qualen (nicht aber materiellen Schaden) zufügt. Das dürfte in vielen Fällen zutreffen, ist aber ziemlich unspezifisch.
Beim Verführen bleibt kein Zweifel, dass es einen alleinig schuldigen Täter gibt, aber der Aspekt von Zwang oder Machtausnutzung wird durch unterstellte oder zumindest als möglich angenommene Einvernehmlichkeit überlagert.
Auch wenn sich jemand an einem anderen Menschen vergeht oder vergreift, ist sie nicht ausgeschlossen, obgleich unwahrscheinlicher.
Bei einer Vergewaltigung kann es hingegen keinerlei Einverständnis des Opfers geben, sondern es wird sich wehren (wollen), sofern dazu in der Lage. Allerdings ist solche mit sexuellen Handlungen durchgesetzte Gewalt oft schwierig von mit (nicht unbedingt körperlicher) Gewalt durchgesetzten sexuellen Handlungen, d.h. einer Nötigung, zu unterscheiden.
Gegen den eigenen Willen Sex zu haben, fühlt sich für das Opfer sicher schon sehr schlimm an, aber jemandes Willen durch „Sex“ zu brechen, ist (bisher) zurecht eine noch schwerwiegendere Straftat als jemandes Körper zur Befriedigung des eigenen Sexualtriebes zu missbrauchen. Der entsprechende Gebrauch anderer Körper ist bspw. im Rahmen der Prostitution oder anderer, d.h. nicht direkt entlohnter gegenseitiger Vorteilsnahme durchaus legal möglich. Ob man hingegen einen Menschen und nicht nur dessen Körper miss- und damit prinzipiell auch ge-brauchen kann, wird oft und nicht grundlos angezweifelt.
Dessen ungeachtet gilt die körperliche Selbstbestimmung, d.h. „Missbrauchte“ entscheiden grundsätzlich selbst, ob sie Opfer sind, während die Gesellschaft über (Straf-)Tat und Täter urteilt. Daher gibt es einerseits täterlose Schändungen und andererseits opferlose Sexualverbrechen, bei denen sich letztlich der Täter als Rechtsopfer fühlt, da unser Gesellschaftssystem u.a. auf der Übereinkunft beruht, dass der Bruch von festgeschriebenen Regeln einheitlich bestraft wird: „Gleiches Recht für alle!“ Neben diesem öffentlichen Recht gibt es aber auch das bürgerliche Zivilrecht, das auf Veranlassung eines Beteiligten die „Wiedergutmachung“ regeln soll, wenn keine außergerichtliche Einigung (etwa auf Basis von Reue und Vergebung, Bezahlung oder beidseitiger Verdrängung) erzielt wird, damit es nicht zu wiederum strafrechtlich relevanten Folgevergehen aus Rache kommt. Wo zwar nicht Eigentum und vielleicht auch weder Körper noch Seele, dafür aber Ehre, Würde, Stolz oder Ansehen beschädigt wurde, ist echte Wiedergutmachung schwierig zu bestimmen und noch schwieriger zu erzwingen.