Derivat
Es gibt kein etabliertes, konventionalisiertes Wort für einen weiblichen Kavalier, aber nach den üblichen morphologischen Mustern lässt sich Kavalierin bilden. Das funktioniert wie in Passagierin, Offizierin oder Pionierin. Die Endung -ier kann verschiedenen Ursprungs sein und hat verschiedene Aussprachen mit entsprechenden Auswirkungen; so funktioniert Spanierin, Kanadierin oder Parlamentarierin problemlos, wohingegen ?Premierin, ?Bankierin und ?Routinierin mindestens zweifelhaft wären und daher vermieden werden.
Feminine Derivative auf +in bzw. eher deren Pluralformen auf +innen werden nur scherzhaft oder überspitzt in Feminismuskritik und manchmal frauenfeindlich als Linkselement in einem Kompositum verwendet, sonst bleibt es beim meist maskulinen Stamm ggf. mit Fugenelement, also könnte man statt Kavalier+s+delikt durchaus *Kavalierinnendelikt verwenden und die Anspielung würde verstanden.
Neologismus
Da das klassische Konzept des Kavaliers klar männlich ist und sich vor allem im Verhalten gegenüber Frauen (eines gewissen Standes) zeigt, könnte man es auch mit einer Neubildung versuchen, in der stattdessen dieses soziale weibliche Pendant auftaucht:
- *Fräuleindelikt, *Fräuleinsdelikt
- *Maidendelikt, *Mädchendelikt
- *Damendelikt, *Hofdamendelikt
- *Weiberdelikt, *Weibsdelikt, *Weibchendelikt
- *Frauendelikt – wäre eher illegale Abtreibung o.ä., weil Frau eher geschlechts- als rollenbezogen verstanden wird, vielleicht aber auch der angeblich typisch weibliche Giftmord
Synonym
Allen diesen Wörtern liegt natürlich ein anachronistischer Sexismus zugrunde, weswegen man bei ihrer Verwendung vorsichtig sein sollte. Geschlechtsunabhängig bietet sich wie schon in den Kommentaren erwähnt bspw. Bagatelldelikt an.
Soziolinguistische Betrachtung
Ein Kavaliersdelikt ist eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit, die nicht verwerflich sein und daher nicht geahndet werden soll, weil sie in der Absicht begangen wird, ein moralisch höhenwertiges Ziel zu erreichen, bspw. das ungefragte Betreten fremder Grundstücke um eine holde Maid zu freien. Es ist also ein Verbrechen, das zwar nicht legal, aber legitim ist – in den Augen dessen, der es so bezeichnet oder dem es unterstellt wird! Gerade die angeblich opferlosen Delikte, die Kavaliere wohl klassischerweise begingen, sollte man heute kritischer sehen, da das ganze Konzept die Frau zum Objekt männlichen Handelns degradiert, also zutiefst sexistisch ist, obwohl es auch für sie angenehm sein kann. Dazu gehört aber auch sowas wie das „Verführen Minderjähriger“, was manche für einen chauvinistischen Euphemismus für „Vergewaltigung“ halten.
Tatsächlich wird das Wort heute wohl hauptsächlich in Floskeln wie … ist kein Kavaliersdelikt verwendet. Der Bezugsrahmen dürfte häufig in Bereichen wie Steuerhinterziehung oder Straßenverkehrsvergehen und insgesamt eher bei Ordnungswidrigkeiten liegen, die keinen offensichtlichen Bezug zum geschlechtlichen Aspekt des Kavaliers mehr haben, sondern nur zum sozialen Stand, denn es sind die Bereiche, in denen (nur oder auch) besser gestellte Herren und – gefühlt seltener – Damen häufiger in Konflikt mit dem Gesetz geraten, während Raub, Mord, Vergewaltigung etc. natürlich nur von verderbten Gestalten niederen Ranges begangen werden. Das englische white-collar crime, das vor allem für Wirtschaftsverbrechen verwendet wird, ist ähnlich gelagert. Diese Erkenntnis eröffnet wiederum Möglichkeiten zu geschlechtsneutralen Ersatzbildungen wie bürgerliches Delikt, Spießervergehen, Managerverbrechen, Mittelschichtstraftat, Elitenkriminalität usw.