Die deutsche Sprache (und, vor allem, die deutsche Umgangssprache) ist i.A. sehr lässig – meiner Ansicht nach lässiger als andere Sprachen in Mitteleuropa – im Umgang mit den Zeitformen: In der Umgangssprache gibt es eine Zeitform für die Gegenwart und eine für die Vergangenheit und möglicherweise eine für die Zukunft, aber das ist schon gehobene Sprache. Oft verwenden wir auch das Präsens für das Futur oder gehen sehr nachlässig mit Vor- und Nachzeitigkeiten um und machen nur aus dem Zusammenhang klar, was wir meinen. Das Deutsche bietet so viele Möglichkeiten, komplexe zeitliche Zusammenhänge mit anderen Mitteln als dem Tempus zum Ausdruck zu bringen (z.B. mit Temporaladverbien), dass das i.A. akzeptiert und „für normal“ gehalten wird.
Für die Vergangenheitszeitform kann der Sprecher zwischen Perfekt und Präteritum relativ frei wählen – auch wenn das im Grammatikbuch anders steht. Nun ist es so, dass praktisch alle deutschen Dialekte südlich der Mainlinie im deutschen Sprachraum (also praktisch die Hälfte) gar kein Präteritum kennen. Da der Dialekt beim Spracherwerb typischerweise das ist, mit dem Menschen zuerst in Berührung kommen, bedeutet(-e – Dialektsprache wird erwiesenermaßen zunehmend weniger) das, dass Muttersprachler südlich der Mainlinie erst in der Grundschule mit dem Präteritum aktiv in Kontakt kommen und diese Zeitform eher wie in einer „ersten Fremdsprache“ erlernen. Sie werden wahrscheinlich diese Zeitform im späteren Leben eher in geringerem Maß (meine Erfahrung zeigt: in der Regel gar nicht) als Norddeutsche, deren Regiolekt das Präteritum kennt, verwenden. Aus diesem Grund gibt es ein gewisses Nord-/Süd-Gefälle bei der Verwendung von Präteritum gegenüber dem Perfekt, und es mag sein, dass deinen Lehrern aufgrund ihrer regionalen Prägung das besonders auffällt. Trotzdem im Norden das Präteritum verbreiteter ist, weichen auch Muttersprachler von dort bei eher komplexen Präteritumsbildungen oft (und immer öfter) auf das Perfekt aus, wahrscheinlich ganz einfach, weil die Partizipbildung – und damit das Perfekt – von Verben im Deutschen wesentlich regelmäßiger* ist als das Präteritum und damit die Möglichkeit, Fehler zu machen (oder der Denkaufwand, es richtig zu machen...), geringer.
Die deutsche Grammatik kennt an sich relativ klare Regeln (die du zu kennen scheinst), wann Präteritum und wann Perfekt zum Einsatz kommen soll – nur hält sich oft keiner dran. Das mag auch ein bisschen mit dem Sprachumgang zu tun haben: Wer viele Texte verfasst, wer viel liest und in höherem Maß mit geschriebener Sprache umgeht, mag das Präteritum eher gewohnt sein und es dann auch eher aktiv verwenden. Die Verwendung des Präteritums kann daher, wie immer wenn ein Sprecher alle, auch die weniger gängigen, Möglichkeiten der Sprache ausschöpft, als „gehoben“ oder sogar „geschraubt“ aufgefasst werden. Es scheint ein bisschen so zu sein, dass deine Lehrer dich kritisieren, dass du zu gut die Regeln befolgst (Ich hätte da eine geteilte Auffassung dazu …).
Kurz und gut: Es gibt im Deutschen, zumindest für gesprochene Sprache, keine Regel die sagen würde, dass du „nicht so oft das Präteritum verwenden“ sollst – nichts daran ist faktisch falsch, und wie du sicher schon gemerkt hast, wirst du auch verstanden, wenn du das tust. Es entspricht allerdings nicht dem gängigen Sprachgebrauch, d.h., wenn du irgendwann „perfektes“ (sic!) Deutsch sprechen willst, solltest du tatsächlich eher öfter das Perfekt verwenden - das verringert durchaus auch den Lernaufwand, denn das ist ja der Grund, warum Muttersprachler es tun. (Ich persönlich sehe allerdings nicht, dass du das tun solltest, weil ich es eher symphatisch finde, wenn man einem Nicht-Muttersprachler, der perfekt mit den Tempora des Deutschen umgehen kann, auch anhört, dass es nicht seine Muttersprache ist.)
*Betrachtet man Verben wie „backen“, „bitten“, „fechten“ und „braten“, weiß man schnell, was ich meine. Viele Muttersprachler (und ich auch) müssen fürs Präteritum erstmal nachdenken, während das Partizip sofort gebildet ist.