10

Wenn man zusammengesetzte Adjektive wie "nicht existierend" oder "vorher existierend" substantiviert, schreibt man:

Das nicht Existierende, das vorher Existierende

oder

Das Nicht Existierende, das Vorher Existierende

Das heißt, werden beide großgeschrieben oder nur die eigentlichen Adjektive?

Und was ist mit den Adjektiven, die durch Bindestrich verbunden sind, wie "nicht-englischsprachig"?

1

3 Answers 3

6

Weder noch.

Die freien Begleiter in einer Nominalphrase müssen KNG-kongruent* flektiert werden, nicht flektierbare Begleiter müssen fest an den Kopf (also das Substantiv bzw. substantivierte Nichtsubstantiv) gebunden werden.

das wahre Existierende, des wahren Existierenden …

Freie Begleiter können auch Teil eines Substantivs werden, vor allem wenn sie sich nur auf den ersten Teil eines Kompositums beziehen.

der Rote(s)-Kreuz-Helfer → der Rotkreuzhelfer

Da sowohl nicht als auch vorher nicht flektierbare Partikeln sind (und wir nicht auf nichtig und vorherig o.ä. ausweichen können oder wollen), erhalten wir folgendes:

das Nichtexistierende, das Vorherexistierende

Optional kann der Bindestrich bei solchen Verbindungen gesetzt werden, was relativ häufig auch passiert (z.B. Nicht-Ich):

das Nicht-Existierende, das Vorher-Existierende

Mit nicht fallen mir dazu einige Beispiele ein, vorher ist eher selten in dieser Funktion. Seine Bestandteile vor und her sind üblicher und ersteres bietet sich evtl. als Ersatz an:

das Nichtexistierende, das Vorexistierende

In Fremdwörtern ist prä- (wie non-) ein gängiges Präfix(!), das sowohl zeitliche wie räumliche Bedeutung haben kann. Da existieren ein Fremdwort ist, könnte man sich entsprechend auch dafür entscheiden, aber dann würde ich existent dem deutschen Partizip vorziehen:

das Nonexistierende, das Präexistierende
das Nonexistente, das Präexistente

Wer es wirklich deutsch haben möchte, wird auf sein zurückgreifen müssen:

das Nichtseiende, das Vorherseiende/Vorseiende

Fügt man allerdings Modifikatoren zu den Partikeln hinzu, kommt man wieder in das Dilemma mit dem Saft aus schwarzen Johannisbeeren. Sollte man sich dann doch für die Getrenntschreibung entscheiden, bleiben die Anfangsbuchstaben der Begleiter auf jeden Fall Minuskeln (wie in der ersten Variante in der Frage).

?das schon vorher Existierende – ?das Schonvorherexistierende – *das schon Vorherexistierende
?das lange vorher Existierende – ?das Langvorherexistierende – *das lange Vorherexistierende

Solche stilistischen und orthographischen Zweifelsfälle sollten dazu ermuntern, die Substantivierung an sich in Frage zu stellen.


*) KNG = Kasus, Numerus und Genus

3
  • 1
    Super wäre noch ein Beispiel mit flektierbaren Begleitern zum Vergleich.
    – Carsten S
    Commented Dec 17, 2015 at 8:39
  • Die freien Begleiter in einer Nominalphrase müssen KNG-kongruent flektiert werden, nicht flektierbare Begleiter müssen fest an den Kopf (also das Substantiv bzw. substantivierte Nichtsubstantiv) gebunden werden. – Ich bin jetzt mal absichtlich pingelig: Das erfasst Genetivattribute, Nebensätze u. Ä. nicht.
    – Wrzlprmft
    Commented Dec 17, 2015 at 8:54
  • @Wrzlprmft Ja, man könnte das feiner aufdröseln. Hier umfasst „freie Begleiter“ im Wesentlichen Adjektive, Artikel und Pronomen.
    – Crissov
    Commented Dec 17, 2015 at 11:43
6

Diese Antwort verfolgt eine andere Herangehensweise als Crissovs, kommt aber weitestgehend zum gleichen Ergebnis:

§ 37 der Rechtschreibregeln lautet:

[…] Partikeln können mit Substantiven Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie ebenso wie mehrteilige Substantivierungen zusammen.

Dies betrifft

(1) Zusammensetzungen:

[…]

(1.5) mit Elementen unflektierter Wortarten (Adverbien, Partikeln):
Jetztzeit, Nichtraucher, Selbstverständnis

[…]

(2) Mehrteilige Substantivierungen, zum Beispiel:
das Holzholen, das Inkrafttreten; der Kehraus, das Stelldichein, das Vergissmeinnicht

Das Nichtexstierende und Vorherexistierende sind entweder Zusammensetzung aus Partikel und Substantiv (z. B. nicht + Existierende) oder mehrteilige Substantivierungen (z. B. von nicht existierend). Was von den beiden sie sind, ist letztlich Geschmackssache und hängt nur davon ab, ob man zuerst zusammensetzt oder zuerst substantiviert. Insbesondere hat es keine weitere Auswirkung und im Endergebnis werden die Wörter zusammengeschrieben.


Nun zum Bindestrich: Die einzige Regel, die einen Bindestrich an dieser Stelle zulassen kann, ist § 45, welcher besagt:

Man kann einen Bindestrich setzen zur Hervorhebung einzelner Bestandteile, zur Gliederung unübersichtlicher Zusammensetzungen, […]

Dies betrifft

(1) Hervorhebung einzelner Bestandteile, zum Beispiel:

der dass-Satz, die Ich-Erzählung, das Ist-Aufkommen, die Kann-Bestimmung, die Soll-Stärke; die Hoch-Zeit, das Nach-Denken, Vor-Sätze, be-greifen

(2) unübersichtliche Zusammensetzungen, zum Beispiel:

Arbeiter-Unfallversicherungsgesetz, Haushalt-Mehrzweckküchenmaschine, Lotto-Annahmestelle, Mosel-Winzergenossenschaft, Software-Angebotsmesse, Ultraschall-Messgerät

Ob diese Regeln hier greifen, ist in in einem gewissen Maße Meinungssache. Ich denke, man kann einen Bindestrich nach Absatz 1 rechtfertigen, da nicht betont werden soll. Einen Bindestrich in Vorher-Existierende kann man auch nach Absatz 2 rechtfertigen, da man sonst erstmal Vor-herexistierende lesen könnte.

In jedem Fall ist der Bindestrich nicht verpflichtend.

0
-3

Gemäß der Substantivierungsregeln würde ich folgendes für richtig erachten:

das nicht Existierende, das vorher Existierende

Auch wenn ich keine konkrete Regel dazu im Duden finden konnte, erscheint mir dies als richtig. Dennoch erscheint mir eine Substantivierung von "existierend" auch nicht gerade passend und wirkt "unfertig". Deshalb rate ich dir stilmäßig eher davon ab.

3
  • Ich habe den ersten Absatz mal rausgenommen. Ich hatte die Frage bereits editiert und jetzt erst bemerkt, dass du darauf Bezug genommen hast. Da es aber für die Frage irrelevant ist, habe ich auch deine Antwort abgeändert, anstatt den Fehler in der Frage wieder einzubauen.
    – Em1
    Commented Dec 16, 2015 at 23:07
  • 1
    Ich denke, die Antwort ist falsch. Zu das Existierende habe ich kein Beispiel gefunden, aber hier findet sich die Nichtexistenz (hpd.de/node/3458)
    – Iris
    Commented Dec 17, 2015 at 8:59
  • @Iris, to be or not to be that's the question(das Sein oder Nichtsein das ist die Frage) maybe :-\ Commented Dec 17, 2015 at 9:39

Your Answer

By clicking “Post Your Answer”, you agree to our terms of service and acknowledge you have read our privacy policy.

Not the answer you're looking for? Browse other questions tagged or ask your own question.