Regeln für Komposita:
Ein Kompositum ist ein zusammengesetztes Substantiv. Dabei gibt der vordere Teil eine Spezialisierung des hinteren Teils an. Das heißt: Das Wort ohne den vorderen Teil ist ein Überbegriff des zusammengesetzten Wortes. Auf welche Weise diese Spezialisierung vollzogen wird, ergibt sich aus den Bedeutungen der beiden Teile und aus dem Kontext und wird durch keine Grammatikregel beeinflusst.
Diese Bedeutungsdominanz des hinteren Teils ist übrigens auch der Grund, warum das grammatische Geschlecht des zusammengesetzten Wortes ausschließlich und ausnahmslos von diesem letzen Teil genommen wird.
Zwischen die beiden Bestandteile eines Kompositums kann noch ein Fugenlaut eingeschoben werden, wofür es eine Vielzahl von Regeln gibt, die einander häufig widersprechen und regional unterschiedlich sind. Diese Fugenlaut-Regeln sind aber nicht Gegenstand dieser Frage.
Der Prozess des Zusammenfügens von Substantiven zu Komposita kann rekursiv und (zumindest theoretisch) beliebig oft wiederholt werden, wodurch beliebig lange Komposita entstehen können. Das heißt, dass auch einer der beiden Bestandteile eines Kompositums selbst wieder ein Kompositum sein kann. Das trifft sowohl auf den vorderen als auch für den hinteren Teil zu.
Das längste Kompositum, das bisher in einem offiziellen Dokument verwendet wurde, besteht aus 63 Buchstaben und lautet Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. Aber selbst dieses Monster darf selbst wieder in Übereinstimmung mit den deutschen Grammatikregeln als Teil eines noch längeren Kompositums verwendet werden. Aus diesem Grund hat die Sprache Deutsch kein längstes Wort. Denn aus jedem Wort, dass als Kandidat in Frage kommt, kann man ein noch längeres machen.
- Ergänzung, eingefügt am 9. Dezember 2016:
Das österreichische Wort des Jahres 2016 lautet:
Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung
Beispiel Schokoladenosterhasenfabrik:
Ein Hase ist ein Säugetier mit langen Ohren und kurzem Schwanz, das sonst in Größe und Form in etwa einer Katze ähnlich sieht.
Ein Osterhase ist ein spezieller Hase, nämlich ein Fantasietier, von dem man sich erzählt, dass es zu Ostern Eier in Nester legt.
Ein Schokoladenosterhase ist ein spezieller Osterhase. Das ist nämlich eine Nachbildung eines Osterhasen aus Schokolade.
Eine Fabrik ist eine Anlage (häufig ein Gebäude), in der etwas hergestellt wird.
Eine Schokoladenosterhasenfabrik ist eine spezielle Fabrik, nämlich eine, in der Schokoladenosterhasen hergestellt werden.
Wie man sieht, gibt es völlig unterschiedliche Arten der Spezialisierung. Einmal wird nach einem Fest eingeschränkt, ein anderes Mal nach einem Material und das dritte Mal nach einem Produkt. Die deutsche Sprache ist da völlig offen, und legt der Art der Spezialisierung keinerlei Beschränkung auf.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass es für ein und denselben Obergebriff nicht nur verschiedene Spezialbegriffe gibt, sondern auch verschiedene Arten, wie diese Spezialisierung erfolgen kann.
Um beim Öl zu bleiben:
Die Spezialisierung kann nach der Herkunft des Öls erfolgen:
- Erdöl: Öl, das aus der Erde gepumpt wird.
- Nussöl: Öl, das aus einer Nuss gewonnen wird.
- Erdnussöl: Öl das aus einer Nuss gewonnen wird, die in der Erde wächst.
Sie kann aber auch nach der Anwendung, für die das Öl vorgesehen ist, erfolgen:
- Maschinenöl: Öl, um Maschinen zu schmieren.
- Nähmaschinenöl: Öl, um Maschinen zu schmieren mit denen man nähen kann.
- Kriechöl: Öl, das zwischen zwei eng aneinander liegende Werkstücke kriechen kann.
- Massageöl: Öl, das geeignet ist, bei Massagen verwendet zu werden.
- Babyöl: Öl, das zur Hautpflege von Kleinkindern vorgesehen ist.
Bei der Gefahr ist das dasselbe. Hier kann man nach der Ursache unterscheiden, oder nach dem gefährdeten Gut.
Spezialisierungen der Gefahr nach Ursache:
- Erstickungsgefahr
- Verbrennungsgefahr
- Absturzgefahr
Spezialisierungen der Gefahr nach dem gefährdeten Gut:
- Lebensgefahr
- Gesundheitsgefahr
Selbst wenn es für einen Oberbegriff und eine Spezialisierungsart nur ein einziges Kompositum gäbe (wenn es also die Gesundheitsgefahr nicht gäbe), und wenn alle Komposita, die vom selben Oberbegriff abgeleitet sind, allesamt einer einzigen anderen Spezialisierungsart angehören (wenn also alle Gefahr-Komposita mit Ausnahme der Lebensgefahr nach der Ursache unterscheiden würden), wäre das völlig legitim und kein Verstoß gegen irgendwelche Regeln.
Im übrigen erinnert mich diese Frage sehr an diesen Witz:
Du, Papa?
Ja?
Was ist ein Rindsschnitzel?
Das ist ein Schnitzel, das aus einem Rind gemacht wird.
Und ein Schweinsschnitzel?
Ein Schnitzel aus einem Schwein.
Und ein Hühnerschnitzel?
Na komm, das weißt du jetzt aber schon selber.
Aus einem Huhn?
Ja! Bravo, sehr gut!
(kurze Pause)
Du, Papa.
Was denn, mein Schatz?
Ich mag mein Kinderschnitzel nicht mehr.