Erstmal: Die mit den lustigen Wörtern seid Ihr Deutschen, nicht wir Österreicher. Uns Österreichern würde nämlich nicht einfallen, so seltsam klingende Wörter wie »Quark« oder »Eisbein« zu sagen.
Aber ernsthaft: Ich denke, das Wort, das du eigentlich meist ist nicht »lustig« sondern »anders«. Österreichisches Deutsch ist nicht lustiger oder ernster als Deutsches Deutsch, oder irgend eine andere Sprache.
Ich möchte vorausschicken, dass - vor allem in Bezug auf die Umgangssprache - vieles, was hier über Österreich gesagt wird, auch auf südliche Regionen Deutschlands zutrifft.
Es gibt aber auch offizielle Grammatikregeln, die nur für die Hochsprache »Österreichisches Deutsch«, nicht aber für die Hochsprache »Deutsches Deutsch« gelten (und umgekehrt). Diese Regeln gelten für verschiedene Varietäten der Deutschen Sprache, aber diese Regeln schreiben nicht vor, in welcher geographischen Region diese Varietäten tatsächlich verwendet werden.
Man wird daher auch in Wien Menschen antreffen, die beispielsweise so etwas sagen:
Ich habe Aprikosenkonfitüre gemacht als ich im Urlaub war.
obwohl das in Österreichischem Deutsch so lauten würde:
Ich habe Marillenmarmelade gemacht als ich auf Urlaub war.
Ja, die Grammatik des Österreichischen Deutsch unterscheidet sich von der Grammatik des Deutschen Deutsch und von der des Schweizerischen Deutsch.
Da ich vom Schweizerischen Deutsch keine Ahnung habe, vergleiche ich hier aber nur Österreichisches und Deutsches Deutsch.
Der auffälligste Unterschied betrifft die Zeiten. Die werden im Österreichischen Deutsch nicht nur anders verwendet als im Deutschen Deutsch, sondern sie heißen (im Schulunterricht) auch anders:
Präteritum
Ich schlief. Wir redeten. Hans arbeitete.
In Deutschland hat diese Zeitform gleich drei verschiedene deutsche Namen: »unvollendete Vergangenheit«, »Nachvergangenheit« und »1. Vergangenheit«. In (nicht »an«!) Österreichischen Schulen wird gelehrt, dass der deutsche Name des Präteritums »Mitvergangenheit« ist.
In der geschriebenen Sprache wird das Präteritum in beiden Ländern benutzt um Ereignisse zu schildern, die in der Vergangenheit geschehen sind und abgeschlossen sind. Die Handlungen reichen also nicht bis in die Gegenwart.
Der Grund dafür ist aber hauptsächlich, dass man auch in Österreich als geschriebene Sprache häufig Deutsches Deutsch (oder eine deutsch-österreichische Mischform) benutzt. Vor allem Bücher kann man nicht in Österreichischem Deutsch schrieben, weil man sie in Deutschland nicht verkaufen könnte. (Ausnahmen gibt es, aber Autoren wie Wolf Haas verkaufen im 8,5-Millionen-Einwohnerland Österreich auch deutlich mehr Bücher als in Deutschland mit 81 Millionen potentiellen Kunden)
In Deutschland (vor allem im Norden) wird auch in der gesprochenen Alltagssprache das Präteritum verwendet um von abgeschlossenen Ereignissen zu berichten: »Vor einem Jahr schnitt ich mir in den Finger. (Die Wunde ist längst verheilt)«
In Österreich (und Teilen Bayerns) wird diese Zeitform in der Alltagssprache kaum verwendet. Als ich als Kind in die Schule kam, kannte ich diese Zeitform gar nicht, den außer bei Sätzen mit »war« als Verb (»Ich war im Bad«, »Thomas war krank«) wird die Mitvergangenheit im Alltag nur selten verwendet.
Perfekt
Ich habe geschlafen. Wir haben geredet. Hans hat gearbeitet.
Offizielle Namen in Deutschland: »vollendete Gegenwart«, »Vorgegenwart« und »2. Vergangenheit«.
Offizieller Name in Österreich: »Vergangenheit.«
Am Namen erkennt man schon den wesentlichen Unterschied: In Deutschland wird das als eine Form der Gegenwart verstanden, die sich aus einem vergangenem Ereignis ergibt. In Österreich ist es schlichtweg die Standard-Form um etwas auszudrücken das in der Vergangenheit stattgefunden hat: »Vor einem Jahr habe ich mir in den Finger geschnitten. (Die Wunde ist längst verheilt)«. Ein Bezug zur Gegenwart ist nicht erforderlich, stört aber auch nicht.
In Österreich wird daher alles, was in der Vergangenheit passiert ist (und nicht zwingend den Pluquamperfekt erfordert) in der Zeitform »Vergangenheit« ausgedrückt.
Beispiel:
In Deutschland:
Ich kann mich noch an deinen fünften Geburtstag erinnern. Erst schien die Sonne vom Himmel, dann zog ein Sturm auf, und plötzlich begann es zu regnen und wir liefen dann alle ins Haus. Das ist jetzt 30 Jahre her, und das Haus steht auch nicht mehr.
In Österreich:
Ich kann mich noch an deinen fünften Geburtstag erinnern. Am Anfang hat noch die Sonne gescheint, dann ist ein Sturm aufgezogen, und plötzlich hat es angefangen zu regnen, und wir sind alle ins Haus gelaufen. Das ist jetzt 30 Jahre her, und das Haus steht auch nicht mehr.
Statt »gescheint« ist auch »geschienen« erlaubt, aber gerade in der gesprochenen Sprache eher ungebräuchlich.
Plusquamperfekt
Die Zeitform »Plusquamperfekt« hat in beiden Ländern denselben Namen (»Vorvergangenheit«) und wird auch gleich verwendet. Jedoch habe ich den Eindruck, dass sie in Österreich häufig durch andere Formulierungen vermieden wird.
Der Partizip Perfekt einiger Verben enden in Österreich auf -en statt auf -et oder -t:
D: Der Fernseher ist eingeschaltet.
Ö: Der Fernseher ist eingeschalten.
D: Die Suppe ist versalzt.
Ö: Die Suppe ist versalzen.
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall:
D: Der Insasse ist abgehauen.
Ö: Der Insasse ist abgehaut.
Auch in einer unregelmäßigen Variante:
D: Inge hat mir zugewinkt.
Ö: Inge hat mir zugewunken.
Auch hier gilt: Es gibt auch Regionen in Deutschland, in denen die Österreich-Variante verwendet wird, und die deutsche Version ist auch in Österreich erlaubt, wird hier aber selten bis gar nicht verwendet (hängt vom Wort und von der Region ab)
Haben und sein
Der Satz »Karl hat gesessen« bedeutet in Österreich unzweifelhaft, dass Karl im Gefängnis war. Will man aussagen, dass er sich in sitzender Haltung auf einem Möbelstück aufgehalten hat, sagt man in Österreich:
Karl ist auf dem Sessel gesessen. (nicht: hat auf dem Stuhl gesessen)
Ebenso:
Susi ist im Bett gelegen. (nicht: hat im Bett gelegen)
Martin ist hier gestanden. (nicht: hat hier gestanden)
Die hier genannten hat-Varianten werden in Österreich als falsch empfunden.
Kurzer Exkurs:
»Sessel« ist in Deutschland ein gepolstertes Sitzmöbel mit Armlehnen für eine Person. In Österreich ist »Sessel« jedoch der Oberbegriff für alle Ein-Personen-Sitzmöbel. Ein schlichter Holzstuhl ohne Lehne und mit harter Sitzfläche ist in Österreich nicht nur ein Stuhl, sondern auch ein Sessel. Der typische bequeme Sessel, den man als »Sofa für eine Person« bezeichnen könnte, heißt in Österreich »Fauteuil«.
Viele Präpositionen sind auch unterschiedlich:
D: Dieser Händler bietet dieses Buch für 9,90 Euro an.
Ö: Dieser Händler bietet dieses Buch um 9,90 Euro an.
D: Leon wird jetzt sechs, bald darf er zur Schule gehen.
Ö: Leon wird jetzt sechs, bald darf er in die Schule gehen.
D: Wo ist Herr Müller? - Er ist im Urlaub.
Ö: Wo ist Herr Müller? - Er ist auf Urlaub.
Viele Hauptwörter haben in Österreich ein anderes Geschlecht als in Deutschland:
D: die Cola, Ö: das Cola
D: das Spray, Ö: der Spray
D: der Joghurt, Ö: das Joghurt
D: der Keks, Ö: das Keks
D: die Akte, Ö: der Akt
Dieser Abschnitt betrifft zwar die Grammatik-Regeln nicht direkt, passt aber dennoch zum Thema:
Einige Grammatik-Begriffe heißen in Österreich auch anders:
- Verb in D: »Tätigkeitswort«, in Ö: »Zeitwort«
- , in D: »Komma«, in Ö: »Beistrich« (nicht jedoch wenn es als Dezimaltrennzeichen in Zahlen auftritt)
- ! In D: »Ausrufezeichen«, in Ö: »Rufzeichen«
Anmerkung 1: Zeitwort, Beistrich und Rufzeichen (und einige weitere Begriffe) sind auch in einigen Gegenden Deutschlands in Gebrauch, diese Begriffe werden aber nicht im Unterricht an Deutschen Schulen gelehrt. Der behördlich vorgegebene Lehrplan österreichischer Schulen enthält aber genau diese Wörter, und sieht auch vor, dass sie im Unterricht gelehrt werden.
Anmerkung 2: Der unterschiedliche Lehrplan hat auch eine Auswirkung auf die Mathematik. Die Geradengleichung lautet in Deutschland: »y = mx + n«, in Österreichs Mathe-Lehrbüchern steht aber: »y = kx + d«