Grobe Schätzung und exaktes Ergebnis widersprechen sich m.E. nicht. Nur ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis auch zutrifft, geringer. "Grobe Schätzung" betrifft m.E. die Methode, nicht die Präzision des Ergebnisses - wohl aber dessen "Validität".
Ein gutes Beispiel hierfür sind die beliebten, bis auf die Dezimalstelle "präzisen" Wahlprognosen. Es handelt sich um sehr exakte Angaben, deren Validität aber von der angewandten Hochrechnungsmethode und dem Ausgangssample (Mischung und Größe) abhängt.
Die Hausnummer symbolisiert eine konkrete Ortsangabe in Form einer einfachen Ziffer. Die Ziffer mag auf einer Schätzung beruhen, sie ist dennoch eine konkrete Zahl. Das Gegenteil wäre das Fehlen jeglicher Größenordnung, also nur "ziemlich gering" "ziemlich viel", "sehr groß", "extrem teuer". Es geht also darum, eine bestimmte Ziffer in den Raum zu stellen, selbst wenn unsicher ist, ob sie sich genau so realisieren wird. Ob der tatsächliche Wert wirklich dort oder nur im "Umkreis" liegt, ist nicht so wichtig, bzw. muss sich in der Zukunft erweisen. Aber mit einer Hausnummer steht ein fester Ort im Raum.
Damit ist einerseits das Risiko der Falsifikation verbunden ("Wo steht das?" - "Irgendwo im vorderen Teil des Grundgesetzes." vs. "In Artikel 20, glaube ich."), andererseits eine Quantifizierung ("Wenn wir das Teil nicht austauschen, müssen Sie sich die nächsten Jahre auf ziemlich hohe Handwerkerrechnungen gefasst machen!" vs. "Rechnen Sie mal mit Reparaturkosten von mindestens 500 Euro alle vier bis fünf Jahre.").
M.E. ist dabei gerade die Quantifizierung wichtig (oder, um im Bild zu bleiben: die Entfernung bis zum Punkt X, bzw. die Vergleichbarkeit mit anderen "Hausnummern" -> Entfernung zum alternativen Punkt Y).
EDIT:
Ich halte es unplausibel, anzunehmen, dass man früher oder auch heute noch reale Hausnummern zur Annäherung nutzen würde. Denn wenn ich das Ziel nicht genau bestimmen kann, dann werde ich erst recht keine Hausnummer nennen können, die dem Ziel nahe kommt. Stattdesssen bieten sich viele andere Zielbeschreibungen an, etwa nach markanten Punkten (Kirche, Hotel/Gaststätte, Apotheke, Markt, Brunnen, Standbild, Palais, Handwerker). Die Nennung einer Hausnummer setzt bereits voraus, dass ich den ungefähren Wertebereich kenne, also die wahrscheinlich höchste Hausnummer, und innerhalb dieses Bereichs auswähle. Und selbst wenn man den Wertebereich kennen würde, hülfe das überhaupt nichts, wenn (wie zB in Berlin) die Straße nach einem anderen Schema als erwartet nummeriert ist, zB rechte Straßenseite aufsteigend, linke Straßenseite absteigend nummeriert - das Haus mit der höchsten Nummer steht dann gegenüber der Nr. 1, und die "goldene Mitte" ist in Wahrheit ein "Extremwert" - nämlich am anderen Ende der Straße gelegen).