Mindestens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts scheint obliegen ausschließlich als trennbares Verb gebraucht worden zu sein. So verzeichnen es die Brüder Grimm im Deutschen Wörterbuch, wobei sie u.a. Fundstellen bei Goethe, Schiller und Wieland anführen. DWDS kennt darüber hinaus Fundstellen bei Rathenau (1918) und Emil Strauß (1919), sodass diese Verwendung vermutlich auch noch in der Zwischenkriegszeit nicht ungewöhnlich war. Dazu passt, dass die fragliche Formulierung in Art. 146 B-VG seit 1930 enthalten ist. Nach der (zumindest heute geltenden) Faustformel, dass trennbare Silben betont sind, hat der Akzent damals vermutlich noch auf der Vorsilbe gelegen (óbliegen).
Im Laufe des 20. Jahrhunderts muss die Häufigkeit der getrennten Formen erheblich abgenommen und sich der Akzent infolgedessen auf oblíegen verschoben haben. Das kann man auch im Vergleich durch Google Ngram ablesen: trotz der signifikanten Messfehler dadurch, dass bei der Suche nach liegt ob bei weitem nicht alle Stellungen im Satz erfasst werden (unterschätzt) und obliegt schon immer in Nebensätzen vorkam (überschätzt), sinkt zwischen 1945 und 1950 der Anteil von liegt ob auf quasi null, während obliegt ein Allzeithoch erreicht. Seit Mitte der 60er-Jahre nimmt die Verwendung dann insgesamt ab. In der heutigen Zeit ist der Gebrauch als trennbares Verb und die damit verbundene Betonung auf der ersten Silbe auch nach meiner Alltagserfahrung völlig unüblich. Die Formen können somit inzwischen zurecht als veraltet angesehen werden.
Zur Nebenfrage: Hierzu gibt es einen guten Eintrag in der Variantengrammatik (VG; eine Kooperation schweizerischer und österreichischer Universitäten mit dem IDS in Mannheim). Laut dieser und DWDS sind fakultativ trennbar (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
aberkennen, anerbieten, anerkennen, auferlegen, fachsimpeln*/**, obliegen**, obsiegen, obwalten**, übersiedeln, widerhallen, widerschallen*, widerspiegeln
*alternative Formen nur in der VG (nicht im DWDS) enthalten
**VG verweist auf Ebner, Jakob (2009): Wörterbuch des österreichischen Deutsch
Bei manchen dieser Verben hat sich der Gebrauch mit der Zeit verändert (diachrone Variation), bei anderen hängt er vom Gebiet ab (synchrone/areale Variation), wieder andere werden ohne räumliche Schwerpunkte nebeneinander gebraucht (synchrone/non-areale Variation).
Diachrone Variation Diese betrifft vor allem die Verben mit ob-: die getrennte Form waltete ob findet sich noch 1924 bei Mann im Zauberberg; siegte ob 1937 bei Ehm Welk (alle Fundstellen bei DWDS). Genau andersherum verhält es sich mit auferlegen: Hier findet sich die zusammengesetzte Form (war ein großer Richter …: er auferlegte Buße) noch 1943 in Hesses Glasperlenspiel (und vielfach vor 1900 bei Google Books), ist heute jedoch wohl ungebräuchlich. Diese gegensätzliche Entwicklung ist bemerkenswert, da auf(er)legen nichts anderes als die kausative Alternation von obliegen zu sein scheint. Allerdings gilt auf- mittlerweile als obligatorisch zu trennendes Präfix.
Das Interessante an auferlegen, obliegen, obsiegen, obwalten und auch übersiedeln ist ferner die laut Etymologischem Wörterbuch des Deutschen enge Verwandtschaft der drei Präfixe, die auf dieselbe indoeuropäische Wurzel zurückzuführen sind. Der Verbbestandteil ob- war ursprünglich eine Präposition wie über (vgl. Rothenburg ob der Tauber; ob dieser Worte) und wurde laut DWB erst im Neuhochdeutschen zusammengerückt, was die (ursprüngliche) Trennbarkeit erklären würde; ebenso kann auch der Verbbestandteil über- trenn- oder untrennbar sein. Sofern diese Verben als trennbar behandelt werden, ist jedoch eine Betonung auf dem Präfix zu erwarten.
Areale synchrone Variation Dazu gehören anerkennen, übersiedeln und widerspiegeln. In Deutschland überwiegt der trennbare Gebrauch, während die Verben in der Schweiz (und Süd(west)deutschland) meist ungetrennt erscheinen. In Österreich wird widerspiegeln laut VG fast immer getrennt, übersiedeln aber nicht, und anerkennen regional unterschiedlich gehandhabt.
Non-areale synchrone Variation Dazu zählt die VG aberkennen, anerbieten, auferlegen, widerhallen und widerschallen. Aufgrund des insgesamt seltenen Gebrauchs seien hier keine genauen Häufigkeiten zu ermitteln.