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Ich bin heute in Facebook über dieses sprachliche Phänomen gestolpert, das ich zwar schon seit 50 Jahren kenne, worüber ich mir aber noch nie Gedanken gemacht habe:

Zumindest in Österreich wird bei Verben in der Du-Form in der 2. Person im Plural umgangssprachlich ein S ans Ende des Verbs angehängt:

Kommts her zu mir. (Umgangssprachlich)
Kommt her zu mir. (Standarddeutsch)

Ihr machts das falsch! (ugs.)
Ihr macht das falsch! (std.)

Bitte schreibts leserlich! (ugs.)
Bitte schreibt leserlich! (std.)

Wollts ihr einen Kuchen? (ugs.)
Wollt ihr einen Kuchen? (std.)

Wissts(!) ihr, woher dieses S am Ende des Verbs kommt? Mir fällt dazu nämlich überhaupt keine Erklärung ein. Mir fällt auch keine andere grammatische Situation ein, bei der einem Verb ein S angehängt wird.

Ist das eine österreichische oder süddeutsche Eigenheit, oder kommt dieses umgangssprachliche S auch weiter im Norden vor?

Könnts ihr mir helfen?

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    Fragmente, die bisher nicht zu einer Antwort reichen: Im Norden scheint es mir völlig unbekannt. (Ich falle mit Sätzen wie »ihr wissts doch« auf.) Es wäre zwar halbwegs logisch, würde es sich auf die ältere, bairische Form von ihr, ees zurückführen, aber selbst im Dialekt gibt es Sätze wie »Wissts ees ned, dass …«; die Dopplung erschiene mir unlogisch.
    – Jan
    Commented Nov 24, 2016 at 16:16
  • @Jan: Die Vermutung mit dem ees halte ich für wenig plausibel, weil das Wort es (oder ees) ein Rest eines Duals ist, also ursprünglich nur verwendet wurde, wenn ein Paar angesprochen wurde. Siehe: de.wikipedia.org/wiki/Dual_(Grammatik)#Bairisch Commented Nov 24, 2016 at 16:22
  • 1
    @Beta: »Kummts«: Ja, »zuwa«: Jein. Die Bairischen Dialekte sind ein Kontinuum von vielen verschiedenen Dialekten. In Wien und Umgebung ist »zuwa« zwar bekannt, aber wenig gebräuchlich. »Her« ist hier üblicher. Im Osten der Steiermark, wo ich ausgewachsen bin, und im Südburgenland sagt man »zuwi«. Aber mir ging es ja ohnehin nicht um die Vokabeln, sondern um die Grammatik, daher habe ich standarddeutsche Vokabel verwendet. Außerdem zeichnet sich die Umgangssprache auch dadurch aus, dass mehr Standardvokabel verwendet werden als in einem Dialekt. Commented Nov 24, 2016 at 18:32
  • 2
    @Jan Achtung: "Ihr wissts doch", "Ihr machts ja eh nicht",... ist ziemlich sicher was Anderes, als das was Hubert fragt (Nämlich ein verkürztes "es")
    – tofro
    Commented Nov 25, 2016 at 8:58
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    @tofro Den ersten Satz würde ich eben als »Ihr wissts es doch eh schon, der Franz heiratet«, forumlieren. Eben weil mir sonst das es fehlt ;) Ich war mir nur nicht sicher, inwiefern sich diese Sprachgewohnheit, die ich aus dem Bairischen kenne, in andere Süddeutsche Dialekte verbreitet hat.
    – Jan
    Commented Nov 25, 2016 at 22:32

1 Answer 1

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Laut M. Schuster und H. Schikola in "Sprachlehre der Wiener Mundart" (Wien 1984) ist dies ein Rest vom Dualis, und zwar hat sich hier das alte Dualispronomen "es" sich ans Ende des Verbes auf diesem Wege angehängt:

Eine sehr eigenartige Erscheinung, die unsere Mundart mit dem gesamten Mittelbaierischen und einem Teil des Nordbaierischen teilt, ist die, daß sie das persönliche Fürwort sozusagen in die Biegung des Zeitwortes, der Eigenschaftswörter und anderer Wortgruppen eingebaut hat, ja die sogar zur "Biegung" von Vorwörtern verwendet.

Also derselbe Mechanismus als der, der Wortbildungen wie "Wennst willst" geschaffen hat.

Warum hat dies nur die Wortformen der 2. Person beeinflusst? Man kan dies mit der Tatsache erklären, dass gerade bei der 2. Person kommt die Anrede vor, wo das Pronomen nach dem Verb steht. Z.B "Habt ihr das gemacht?" heisst dann "Habts (ihr) das gemacht?" Was von "Habt es das gemacht?" gekommen ist. In dieser Kontext ist es leicht zu verstehen warum "ihr" weggelassen sein kann, das Pronomen ist ja schon da, in dem "-s".
Das Dualispronomen "es" ist in die Dialekten immernoch als "ös" lebendig "Habts ös?"

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    Eine Bemerkung, wieso das Phänomen vom Dualis auf den gesamten Plural übergesprungen ist, würde diese Antwort zusätzlich bereichern. Commented Nov 25, 2016 at 10:12
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    @O.R.Mapper diese Frage wird im oben genannten Buch nicht beantwortet, und es steht auch nichts darüber weder in Dudens "Wie sagt man in Österreich?" noch in Hans Reis' "Die Deutschen Mundarten". Ich könnte mich aber vorstellen, dass wenn man im 12.-13. Jh nicht mehr zwischen Dualis und Plural unterschiedete, das eine oder das andere Pronomen (als Wort, nicht als Form) "gewonnen" hat. Im nördlichen Sprachraum hätte sich das Pluralwort eingewurzelt, im südlichen das Dualiswort.
    – Beta
    Commented Nov 25, 2016 at 10:50

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