4

[1]

Substantive, die sich aus Verben ableiten, indem die Endung -er an den Stamm des Verbs angefügt sind, haben maskulines Genus:

  • lehrender Lehrer
  • streuender Salzstreuer
  • dreschender Mähdrescher

[2]

Außerdem gibt es maskuline Worte auf -er, bei denen nicht klar ist, auf welches Verb sie zurückgehen, oder ob sie überhaupt auf ein Verb zurückgehen:

  • der Priester (nicht etwa von *priesten, sondern von gr. πρεσβύτερος (presbýteros), Pfeifer)
  • der Zucker (nicht etwa von zucken, sondern von arab. sukkar, Pfeifer)

[3]

Es gibt aber auch feminine Wort, die auf -er enden

  • der / die Butter (bemerkenswerterweise existiert in Dialekten auch die maskuline Form)
  • die Mutter (wie bei allen Verwandtschaftsbezeichnungen folgt das Genus hier dem Sexus)
  • die Schwester (ebenso)

Ich interessiere mich für die Sprachgeschichte dieser Wortbildung [1]:

  1. Wann ist diese Wortbildung im Deutschen bzw. in Vorgängersprachen entstanden?
  2. Falls sie aus anderen Sprachen ins Deutsche übernommen wurde, woher stammt sie?
  3. Lässt sich nachvollziehen, warum die Formen maskulin sind?
  4. Ist das Genus der anderen Substantive unter [2] aus einer Analogie entstanden?
  5. Habe ich unter [3] noch andere Beispiele übersehen?

Zu 2. fällt mir nur assoziativ ein, dass es eine analoge Konstruktion im Lateinischen mit der Endung -tor gibt:

  • orareorator
  • moveremotor
  • rotarerotor
  • quaererequaestor

Schon über die Beantwortung einzelner Fragen oder auch nur Hinweise zu einzelnen Fragen wäre ich dankbar.

8
  • "Der Butter" existiert in süddeutschen Dialekten durch den französischen Einfluss (le beurre). Zu deiner eigentlichen Frage hab ich leider keine wertvolle Antwort.
    – miep
    Commented Feb 19, 2019 at 10:51
  • 2
    Es gibt auch viele sächliche Substantive, die auf -er enden: das Wasser, das Opfer, das Alter, das Wetter, das Gewitter, das Theater, das Lager, das Orchester, das Fenster, das Wunder, das Kloster, das Center, das Ufer, das Silber ... Männlich und sächlich: der/das Meter, der/das Liter. Auch sächlich, passt aber nicht ganz zu den anderen weil das Wort einsilbig ist und die Endung -er daher nicht zu einer Reduktionssilbe gehört: das Meer. Commented Feb 20, 2019 at 6:35
  • Meine Vermutung ist: Im Türkischen beudeutet "er" Mann, männlich, Soldat. Es könnte doch sein, dass das Deutsche "-er" aus dem Türkischen entlehnt hat, um Maskulinum zu bilden:))) Denkbar ist es...
    – Korhan
    Commented Jul 25, 2023 at 13:25
  • @Korhan: Nein, das ist nicht denkbar. Commented Jul 26, 2023 at 0:30
  • Es mag sich lohnen, in andere moderne europäische Sprachen mit möglicherweise geringerem romanischen Einfluß zu schauen: z.B. Ritter (dt.), Riddare (schwed.), Ridder (norweg., dän.),....
    – tofro
    Commented Jul 26, 2023 at 7:02

3 Answers 3

7

Nhd. -er hat verschiedene Quellen, die bis auf die ahd. Zeit oder weiter zurückreichen.

  • Lehnwörter: Kaiser (ahd. keisur) von lat. caesar, Butter (mhd. buter) von gr.-lat. butyrum

  • Lehnsuffix lat. -ārius: Müller (ahd. mullinari), Schüler (ahd. skuolāri). Immer maskulin*, ursprünglich um Ableitungen von Nomen zu bilden (Wilmanns, S. 284 f.).

  • germ. r-Stämme: Verwandtschaftsbezeichnungen Vater, Bruder; Mutter, Tochter, Schwester. Genus nach dem Sexus.

  • germ. Suffix -r: Acker (ahd. ackar), Finger (ahd. fingar) mask.; Jahr (ahd. jār), Feuer (ahd. fiur) neut.; Schnur (ahd. snuor), Feder (ahd. fëdara) fem.

  • ungeklärt: Kater, Ganser, Tauber (mask. Bezeichnungen für männliche Tiere)

Die Beispiele habe ich aus: Wilmanns, Deutsche Grammatik, 2. Abteilung: Wortbildung, S. 275-296. Link.

Intuitiv scheint klar, daß das lat. Lehnsuffix -ārius die Quelle für das produktive nhd. Suffix -er der maskulinen Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnungen (Nomina agentis) sowie der Nomina instrumenti (Zähler, Zeiger) ist. Das Genus der Lehnwörter unterliegt, wie zu erwarten, Schwankungen. Bei den alten germanischen Ableitungen auf -r waren alle Genera vertreten, aber die Maskulina waren die größte Gruppe und sind im Lauf der Zeit durch Übertritte angewachsen (Beispiele bei Wilmanns auf S. 283).

Ein paar Feminina auf -er: Ader, Faser, Feder, Feier, Kammer, Klammer, Lauer, Leber, Leier, Marter, Mauer, Natter, Schleuder, Schulter, Ziffer.

*Sie sind im Ahd. auch dann maskulin, wenn sie von einem lat. Neutrum stammen und eine Sache bezeichnen, z.B. ahd. kellari von lat. cellarium (Wilmanns, S. 292). Das hatte ich zunächst nicht richtig gesehen.

1
0

Ein paar weitere wichtige Beispiele, die nicht hochdeutsch sind

  • altnordische Nominativ-Endung -r aus *-az entsprechend lateinisch -us, vgl. Tyr, en. tuesday, lat. Deus, althochdeutsch Ziu

In Runenschrift wurde zwar noch unterschieden zwischen ererbtem r und Rotazismus, aber der Ausgang ist derselbe vgl. war, en. was; wer, wessen; regional aber auch wo wie engl. who, gotisch 𐍈𐌰𐍃 (ƕas), 𐍈𐌰 (ƕa), 𐍈𐌴 (ƕē).

Da auslautendes r nunmehr vokalisch realisiert bzw. "verschluckt" wird, ist von weitreichender Hyperkorrektur auszugehen, vgl. lat. mater (> Materie, Matrix), de. Masse ("mineralisches, halbflüssiges Bindemittel für Steine", en. brick and mortar, wie Mulch zu Mulde, missa), denn μᾶζα (mâza, “bread”) > massa > Masse ("Menge") bzw. missa (Putz wird "geschmissen") sind Zufall.

Demnach ist Mutter als a-Stamm zu betrachten. Einen großen Unterschied macht das nicht für die Beugung, s. nur "Futtern wie bei Muttern". In einigen Fällen könnte man Dativ unterstellen, so Wasser, vgl. Sanskrit var (versteh ich nicht), vielleicht Kater zu Schmits Katze also der hinterm Ofen vgl. italienisch getto "Schmiede", gatto, venetisch gato "Katze" (Herkunft letztendlich ungewiss), oder einfach sowas wie Spiel(er)gemeinschaft, was doppeldeutig Plural/Dativ zu sein scheint, im Fall von Sonnenschein aber kaum Zweifel lässt, vgl. en. soar, lat. aura (wat?).

Dagegen weist bspw. *ahaz > Ähre Epenthese auf, vgl. en. ear (of corn), vermutlich weil sonst nur äh übrig bliebe, anders wiederum Ohren, en. ears, jedenfalls rhotisch. Wegen Lauscher oder sogar Löffel (vom Hasen) ist davon ausgehend Lamdazismus im Verb ausgehend nicht unwahrscheinlich, trotzdem diese bis auf die Proto-Indo-Europäische Rekonstruktion zu unterscheiden sind. In diesen Maßstäben ist "altnordisch" offenbar nur bedingt sinnvoll

  • gemeintürkische (!) Plural-Endung -ler-; laut en.Wiktionary hat Avar, eine nomadische Mischsprache, Spuren im Deutschen hinterlassen (s. "Pfad"), archeologisch kaum von Gothen und anderen Konsorten zu trennen.

Demnach müsste scholari bzw. gr. σκολε (Herkunft unbekannt) bspw. zu türkisch zählen, das selbst aus einem indo-europäischen Idiom entlehnt ist und oben zu lauschen gezählt wird. Ein daran anschließendes Problem ist die Redundanz der Wurzeln zu lesen bzw. lat. lego, lexicon, ita. lessico und demgegenüber erklären, das nicht mit clarus sondern ebenfalls mit Rotazismus zu denselben zu vergleichen wäre, ferner Klerus; macht aber keiner. Man sägt sich ja nicht den Ast ab, auf dem man sitzt.

  • K-Aorist, palatal, völlig unklar.

Vorgermanisch *k wird affriziiert (?) und neigt teils zum rhotischen. Vgl. Ru. -ek, -ik, etwa Gopnik, Köpenick, Sputnik, etc.

  • Ägyptisches Aleph wird zwar in Umschrift als a wiedergegeben, dürfte aber ursprünglich rhotisch gewesen sein.

Weil pronomial erste person singular, klitisch

0

'Der Butter' habe ich in Kärnten gehört. Ich nehme an, dass Italienisch die Leute beeinflusste. Wir sagen nämlich 'il burro'. Das ist männlich.

1

Your Answer

By clicking “Post Your Answer”, you agree to our terms of service and acknowledge you have read our privacy policy.

Not the answer you're looking for? Browse other questions tagged or ask your own question.