User experience
ist ein sehr neuer Begriff, der in den letzten 2–3 Jahren in den englischsprachigen zu einem Buzzword wurde, aber auch vor dem Hype nicht lange existierte. Die Leute, die in dem Bereich arbeiteten, identifizierten sich vorher meistens mit dem Begriff usability
, nicht user experience
(aber auch andere Gebiete wie Requirements Engineering werden heute häufig von den UX Spezialisten abgedeckt). Die "User Experience Professional's association" bekam diesen Namen in 2012 – vorher hieß sie "Usability Professionals' Association". Und wenn man ein Fachbuch wie "Measuring the user experience" von Tullis und Albert aufmacht, stellt man schnell fest, dass auf dem Deckblatt zwar "User experience" steht, aber ziemlich alle Kapitelüberschriften von "usability metrics" reden, nicht "user experience metrics".
Ich kenne keine Statistiken darüber, aber ich arbeite an einem Lehrstuhl für Software Engineering in einer deutschen Universität und lese auch immer wieder Vertreter der deutschen IT Presse. Daher denke ich, dass ich einen guten Überblick habe.
In meiner Erfahrung benutzt niemand eine Übersetzung für User experience
. In einem formalen oder akademischen Kontext reden alle immer noch von Benutzbarkeit
, was die Übersetzung von Usability
ist. Das ist das Wort, was in den Lehrbüchern steht, und was die Professoren von Studenten verlangen, wenn sie sich gegen "Denglisch" in Abschlussarbeiten auflehnen. In großen Industrieunternehmen kommen solche Trends sowieso sehr spät an, und ich denke, dass der Begriff noch gar nicht von der Presse aufgegriffen worden ist, die sich an Managern aus der Art von Unternehmen richtet, e.g. Computerworld (aber Vorsicht hier, ich lese Computerworld eher selten).
Es gibt sicher auch die Menschen, die sehr vom US-Trend beeinflusst sind, und denen eine Unterscheidung zwischen User experience und Usability wichtig ist, oder auch nur modern sein möchten und sich vom verstaubten Image der Usability differenzieren. Das sind aber häufig die Menschen, die zu viel Formalität verabscheuen und nicht auf einen sauberen Sprachgebrauch achten. Sie benutzen meistens den englischen Begriff User experience
, der einem deutschen Professor erst mal den Magen umdreht, aber die hippen, trendigen early adopters gar nicht stört.
Daher sieht die Wirklichkeit so aus, dass es noch gar keinen etablierten Begriff gibt. Im Moment hast Du drei Optionen:
- benutze weiterhin
Benutzbarkeit
. Dann werden dich die meisten Deutschen aus der IT-Branche perfekt verstehen (außer du möchtest die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet betonen und vertrittst die Ansicht, dass die nicht zur alten usability
gehören, sondern erst durch das neue user experience
hereingebracht werden.)
- benutze 'User experience' ohne Übersetzung. Alle, die die US-amerikanische Presse auf dem Gebiet verfolgen, werden dich gut verstehen. Viele andere, auch Leute, die sich damit ihr Leben lang beschäftigen, werden erstmal nicht wissen, was alles dahinter steckt, und du wirst es wohl auch erklären müssen.
- benutze irgendeine wörtliche Übersetzung. Beide von Dir vorgeschlagenen Begriffe könnten benutzt werden. "Benutzererfahrung" ist mehr wörtlich, "Benutzererlebnis" wird mehr der Idee gerecht, dass wir alle Aspekte der Interaktion des Benutzers mit unserem Produkt beeinflussen möchten, auch die emotionalen Aspekte. Keins ist ein Wort, was bisher benutzt wird, und du wirst ziemlich jedem erklären müssen, was du damit meinst. Von der eigentlichen Wortbedeutung her werden viele verstehen, welchen Vorgang du meinst, aber wenn du über das ganze Feld redest, wird keiner von allein darauf kommen, dass du dasselbe wie (oder eine Übermenge von) dem meinst, was sie schon als
Benutzbarkeit
kennen. Ich würde aber immer die Form mit "Be-" vorziehen, weil ich Benutzer
und Benutzbarkeit
viel häufiger treffe als Nutzer
und Nutzbarkeit
(eigentlich existiert das zweite Wort soweit ich weiß gar nicht).
Ich erwarte, dass sich das irgendwann ändert. Der Trend wird bestimmt auch hier ankommen, sowie viele frühere IT Trends angekommen sind. Welches Wort sich durchsetzt, kann nicht vorhergesagt werden, alle drei von mir aufgezählten Alternativen sind denkbar. (Wie du von meinem Post merkst, benutzen selbst die anti-denglisch Professoren den Begriff Software Engineering und nicht Softwaretechnik, so dass es durchaus denkbar ist, dass der englische Begriff die Oberhand gewinnt). Bis dann werden aber bestimmt einige Jahre vergehen.
Erfahrung
und den anhaftenden Konnotationen immer schwer.