In einer anderen Frage wurde gefragt, wie das R im Wort »Furcht« auszusprechen sei. In meiner Antwort habe ich zwar die gestellte Frage beantwortet, bin dann aber in den Kommentaren auf einen Fehler aufmerksam gemacht worden, den ich wiederum gemacht habe, weil ich von einer Aussprache des Digrams CH im Wort »Furcht« ausgegangen bin, die anders ist als in Wiktionary und theFreeDictionary angegeben. Daher frage ich nun:
Wie wird das Digram CH im Wort »Furcht« und in anderen Wörtern, in denen CH nach R kommt, ausgesprochen?
Zur Auswahl stehen eigentlich nur zwei Laute:
- [ç] wie im Wort »ich« (ich-CH)
- [x] wie im Wort »ach« (ach-CH)
In Wiktionary finde ich unter anderem diese Einträge:
Bei keinem dieser vier Wörter ist eine alternative Aussprache angegeben, und das trifft auch auf alle davon abgeleiteten Wörter zu (dadurch, furchtbar, furchen, Froschlurch, ...). Wiktionary ist also sehr eindeutig und legt sich auf das ich-CH fest.
Ich hingegen höre in diesem Wörtern das ach-CH, also [dʊʁx], [fʊʁxt], [ˈfʊʁxə] und [lʊʁx].
Ich muss dazusagen, dass ich im Osten Österreichs aufgewachsen bin und dort seit nunmehr 58 Jahren auch lebe (geboren 1965 in Graz, ab 1996 in Wien, seit 2016 in St. Pölten), und unter der eingangs verlinkten Antwort hat ein User (Dodezv) diesen Kommentar hinterlassen:
Für mich ist ein wichtiges Erkennungsmerkmal für Sprecher aus der Region von Österreichisch/Bairisch, dass sie nach "r" "ch" wie in [x] statt wie der Rest Deutschlands mit [ç] sprechen. Ich dachte, dieser Unterschied wäre weithin bekannt.
Mir war dieser Unterschied nicht bekannt, und Wiktionary weiß offenbar auch nichts davon, denn bei vielen anderen Wörtern, die im österreichischen Standarddeutsch anders ausgesprochen werden als im deutschen Standarddeutsch, ist dieser Unterschied sehr wohl angegeben (Kaffee, Mathematik, Portier, Tabak ...)
Ich glaube sehr gern, dass CH in Regionen, in denen bairische Dialekte beheimatet sind (also u.a. in fast ganz Österreich) nach R als [x] ausgesprochen wird, während in anderen deutschsprachigen Regionen der Laut [ç] verwendet wird. Aber meiner Beobachtung nach kann das nur die halbe Wahrheit sein.
Hier sind Beispiele mit anderen Vokalen als U vor RCH. Bei diesen Vokalen höre ich auch hier in Österreich den Laut [ç]:
- ARCH
- Archiv = [aʁˈçiːf]
- Monarchie = [monaʁˈçiː]
- Archäologie = [aʁçɛoloˈɡiː]
- Arche = [ˈaʁçə]
- schnarchen = [ˈʃnaʁçn̩]
- IRCH
- Kirche = [ˈkɪʁçə]
- ERCH und ÄRCH
- Lerche und Lärche = [ˈlɛʁçə]
- Zwerchfell = [ˈt͡svɛʁçˌfɛl]
- Pferch = [p͡fɛʁç]
Bei den folgenden Lauten höre ich aber denselben Laut, den ich auch im Wort Furcht wahrnehme, nämlich [x]:
- ORCH
- Schnorchel = [ˈʃnɔʁçl̩] - [ˈʃnɔʁxl̩]
- Morchel = [ˈmɔʁçl̩] - [ˈmɔʁxl̩]
- horchen = [ˈhɔʁçn̩] - [ˈhɔʁxn̩]
- Storch = [ʃtɔʁç] - [ʃtɔʁx]
- ÖRCH
- Störche = [ˈʃtœʁçə] - [ˈʃtœʁxə]
- ÜRCH
- fürchten = [ˈfʏʁçtn̩] - [ˈfʏʁxtn̩]
Kann es sein, dass in Regionen, in denen bairische Dialekte heimisch sind (Österreich, Bayern) der Vokal vor dem R auf den nachfolgenden CH-Laut wirkt, während das sonstwo nicht der Fall ist?
Mir ist bekannt, dass Vokale sich auf die Färbung der davor stehenden Konsonanten auswirken. Achte auf den Klang des SCH in »Schi« und »Schuh« (auch, aber etwas schwächer: »Stier« - »stur« und sogar »Strick« - Strumpf«.) Ich nehme den Unterschied zwischen »Schi« und »Schuh« fast so deutlich wahr wie den Unterschied der beiden CH-Laute zwischen »ich« und »ach«. Kann es sein, dass die Vokale auch über das R hinweg den Laut des nachfolgenden CH verändern?
Was mir auch auffällt:
Direkt nach Ü und Ö spricht man auch in Österreich den Laut [ç] (Küche, nüchtern, Köche, höchst), nach ÜR und ÖR nehme ich aber [x] wahr (fürchten, Störche), wobei es eigentlich korrekter wäre zu sagen, dass ich einen Laut höre, der zwischen [ç] und [x] liegt, den ich aber näher bei [x] als bei [ç] verorte.
Bei ACH und ARCH ist es hingegen genau andersrum. Direkt auf A folgt auch in Österreich das ach-CH [x] (ach, Dach, Bach). Auf AR folgt aber in ebenfalls im ganzen deutschen Sprachraum das ich-CH [ç] (Archiv, Arche, schnarchen). Hier setzt sich auch in Österreich der Laut [x] nicht über das R hinweg durch.
Insgesamt erscheint mir die Situation sehr verworren, und ich muss dabei auch zugeben, dass ich mir in manchen Fällen auch nicht ganz sicher bin, ob ich den Reibelaut in dem Kontinuum zwischen dem stimmlosen palatalen Frikativ [ç] und dem stimmlosen velaren Frikativ [x] immer auf der richtigen Seite wahrnehme.