Es klang zwar in der Frage und in manchen Kommentaren schon an, aber eben auch nicht mehr: zumindest was den Sprachgebrauch der Berliner Politik (und der darüber berichtenden Medien) betrifft, geht das Muster auf Franz Müntefering zurück.
Dieser sagte in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" im April 2006 über den damaligen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck:
Dass er ein guter Mann ist, der Kanzler kann, ist ganz klar.
2009 äußerte er sich offenbar in ähnlicher Weise über Frank-Walter Steinmeier. Da hatte das ZDF die Formulierung aber schon aufgegriffen für seine Casting-Show "Ich kann Kanzler!" (2012 neu aufgelegt), und das Wort war in aller Munde, wie man an diesem Artikel aus der Main-Post oder diesem aus der Süddeutschen Zeitung sehen kann.
Ob Müntefering in dem Interview bewußt oder unbewußt selbst auf Vorlagen für diese Formulierung zurückgegriffen hat, kann ich nicht sagen.
"Wer traut sich jetzt noch Präsident?" verstehe ich als Anspielung des ZDF (mit leicht selbst-ironischem Unterton) auf dieses geflügelte Wort. Es ging nun nicht mehr darum, wie bei der Kanzlerfrage, wer sich bzw. wem man zutraut, das Amt auszuüben und es auszufüllen, sondern darum, wer es (unter den damaligen Umständen) überhaupt wagt, das Amt des Bundespräsidenten anzustreben.
Müntefering wiederum bezog sich in dem Interview auf eine Zeile in einem Lied der "Ärzte" aus den 80ern:
Ich wußte nicht, daß er auch Karate kann.
;-)
Wenn wir den Spaß mal beiseite lassen, so fällt doch auf, daß es im Bereich Sport/Spiel/Tanz einige Substantive gibt, die keine substantivierten Verben sind, die aber vor allem umgangssprachlich zusammen mit "können" verwendet werden, um auszudrücken, daß man die entsprechenden Fertigkeiten besitzt. Nach dem gleichen Muster kann man auch ausdrücken, eine Sprache zu beherrschen. Ich vermute, daß das schon recht lange so praktiziert wird. Es funktioniert auch recht unauffällig nach dem Prinzip der Ellipse, denn die fehlenden Verben liegen mehr oder minder auf der Hand:
Ich kann Skat [spielen].
Kannst Du Cha-Cha [tanzen]?
Der kann Karate [kämpfen? boxen?].
Sie kann Englisch [sprechen, verstehen, lesen, schreiben].
Ich könnte mir vorstellen, daß Müntefering solche Wendungen im Ohr hatte, als er zum ersten Mal davon sprach, daß jemand "Kanzler" könne. Die Adaption entbehrt nicht einer gewissen Nonchalance (und wurde vielleicht gerade deshalb so populär): zum einen ist nun auf einmal gar nicht klar, welches Verb in der Ellipse fehlt. Werden? Das Amt ausüben können (was ja wiederum ein ganzes Bündel von Fähigkeiten umfaßt)? Egal - er kann es jedenfalls (so der entstehende Eindruck). Zum anderen rückt er damit die Amtsausübung sprachlich in die Nähe einer Sportart oder eines Spiels, also in eine dem Publikum vertraute und an Stammtischen und ähnlichen Orten sehr oft anzutreffende Domäne. Das geschieht aber sehr subtil - die Formulierung klingt irgendwie fremd (und für die sensibleren Ohren falsch) und bleibt dadurch hängen, zugleich aber doch vertraut (ohne daß man sofort merken müßte, woher) und verständlich.